Beginner in Berlin: Ein Familienfest

Nostalgie und Rap gegen Rechts: Der Tour­abschluss der Beginner war nicht nur eine Retroshow, sondern auch politisch.

Zwei Musiker auf dert Bühne

Bambule geht anscheinend auch noch mit 40 Foto: dpa

Und irgendwann huldigen sie auch Nena. „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, singen die Beginner. 10.000 Menschen in der Max-Schmeling-Halle singen mit, glückselig, geradezu berauscht. Als die Arme von Eizi Eiz, besser bekannt als Jan Delay, und Mitrapper Denyo, nach oben gehen, um die von Schweiß und Zigarettenrauch geschwängerte Luft zu durchschneiden, folgen die Fans.

Advanced Chemistry 2.0

Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte 30 – und für alle haben die Hamburger etwas dabei. Sie schlagen eine musikgeschmackliche Brücke zwischen zwei Generationen. Als das neue Beginner-Album „Advanced Chemistry“ im vergangenen Jahr herauskam, nörgelten kritische HipHop-Kenner, dass die Band einfach den Namen von Torchs szeneprägender Heidelberger Rap-Crew aus den Neunzigern übernommen hatte.

HipHop-Schule der Neunziger

In den Neunzigern waren die Beginner tatsächlich solche und lernten viel über HipHop von ihren etwas älteren Heidelberger Kollegen. Advanced Chemistry schrieben sehr politische Texte, unter anderem gegen Rassismus. Sie wurden sogar Teil der von Afrika Bambaata gegründeten Zulu Nation. Ein großes Privileg für eine deutsche Gruppe.

Damals wie heute: „Fremd im eigenen Land“

Der wohl bekannteste Hit, „Fremd im eigenen Land“, ist aktuell wie eh und je. Anfang der 90er Jahre kam es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen oder Anschlägen in Mölln. Heute zieht die AfD in deutsche Parlamente ein, Pegida und Identitäre gehen auf die Straße. Daher scheint der Zusammenhang zum neuen, stärker auf Party und Nostalgie getrimmten Beginner-Album eher vage. Die versteckten Zitate und das kleine „Shout-out“ von Torch zu Anfang des Albums sagen nur jenen etwas, die Torch und Advanced Chemistry bereits kennen.

Vom Jugendzentrum zum Hallenkonzert

Party ist auch erst mal beim Auftritt in Berlin angesagt. Aus den Boxen dröhnt „Ahnma“, die Menge gröhlt mit, verehrt den imperatorgleichen DJ Mad, der auf einer gestuften, leuchtenden Pyramide sein Mischpult bedient. Was für einige Fans der ersten Stunde unvorstellbar ist, funktioniert: Vom Jugendzentrum zum Hallenkonzert – und das mit Deutschrap. Schon zu Anfang des Konzerts sagt Denyo: „Berlin, ihr seid auf jeden Fall ganz oben dabei.“

Torch, der Mentor, ist am Start

Die nächsten Tracks entstammen den älteren Alben, wie etwa „Bambule“ aus dem Jahr 1998, und stellen auch die HipHop-Nostalgiker zufrieden: „Gustav Gans“, „Wer bist’n du?“, „Hammerhart“. Doch richtig laut wird es erst, als ein fleischgewordenes Argument auf die Bühne kommt: Torch ist da! Die Beginner ehren die Wurzeln des deutschen HipHop. Denyo erklärt, wie wichtig Torch und Advanced Chemistry für die jungen Nachwuchsrapper einst waren. Nun demonstrieren sie ihre politische Haltung. Stehen sie auch dahinter – oder wollen sie einfach den Kritikern zuvorkommen? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Nostalgie und Rap gegen Rechts

Aber offensichtlich haben sie zusammen Spaß bei „Wir waren mal Stars“ und bei der neuen Version von „Fremd im eigenen Land“. Da darf sogar Afrob mitmachen, der war eigentlich nur als Support angekündigt worden. Politisch passt er gut rein, spielt den Brothers-Keepers-Song „Adriano“ aus dem Jahr 2001. Der Song ist Alberto Adriano gewidmet, der am 11. Juni 2000 im Dessauer Stadtpark von Neonazis getötet wurde. Und auch Samy Deluxe fehlt nicht. Etwas dicker als früher sieht er aus, die Haare glatt, Sonnenbrille auf und einfach lässig drauf. Dem Applaus nach scheint er, der selbstproklamierte „vierte Beginner“, der eigentliche Liebling der Meute zu sein.

We are Family

Dagegen geht der wirkliche vierte Beginner unter: Platin Martin, der vor dem großen Durchbruch der Band ausgestiegen war. Es ist die reinste Familienfeier, komisch, dass nicht gekuschelt wird. Die Fans fahren drauf ab. Das liegt nicht am neuen Album, aber es stört auch nicht. „Der schönste Tour­abschluss, den man sich vorstellen kann!“, resümiert Eizi Eiz. und

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