Gipfeltreffen zum 60. Jahrestag der EU: Suche nach der gemeinsamen Vision

Die 27 RegierungschefInnen sind nicht in Feierlaune: Der Brexit überschattet das Treffen in der italienischen Hauptstadt.

Ein großer, breiter Gang mit Gemälden an den Wänden

Im Saal der Kapitolinischen Museen, wo die Staats- und RegierungschefInnen am Samstag zusammenkommen Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Es soll ein historischer Gipfel werden. Doch wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und 26 weitere EU-ChefInnen am Samstag auf dem Kapitolshügel in Rom treffen, um den 60. Jahrestag der EU-Gründungsverträge zu feiern, dann stiehlt ihnen ausgerechnet die große Abwesende die Show.

Wenige Tage vor Rom hat die britische Premierministerin Theresa May angekündigt, nun endlich den EU-Austrittsantrag zu stellen. Und wenige Tage nach Rom – am 29. März – soll der Brexit dann tatsächlich ausgelöst werden. „Wir sind auf alles vorbereitet, das wird den Gipfel nicht überschatten“, beteuert Merkel.

Doch in Wahrheit schwebt der Brexit wie eine dunkle Wolke über dem Treffen, das eigentlich als Signal für einen neuen Aufbruch gedacht war. Und nicht nur die Briten schießen quer. Auch Polen und Griechen stehen auf der Bremse. Deshalb wird wohl bis zuletzt an der „Erklärung von Rom“ gefeilt werden; Streit nicht ausgeschlossen.

Die rechtsnationale polnische Regierung sträubt sich gegen das Europa der „verschiedenen Geschwindigkeiten“, mit dem Merkel die EU aus der Krise holen will. „Wir werden zusammenarbeiten, wenn immer möglich, mit verschiedenen Geschwindigkeiten (…) wenn nötig“, heißt es im Entwurf.

Die linke Regierung in Athen möchte hingegen erreichen, dass sich die EU nicht nur verbal zu einem sozialen Europa bekennt, sondern auch danach handelt. Sie soll sogar gedroht haben, die gesamte Erklärung zu blockieren, wenn die Eurogruppe an „asozialen“ Reformen festhält.

„Die EU gibt's nur auf dem Papier“

In Brüssel bemüht man sich, die Streitigkeiten herunterzuspielen. Am Ende werde eine gute, gemeinsame Erklärung stehen, die einen Weg nach vorn weist, sagen Diplomaten. Der letzte Entwurf enthält allerdings wenig Konkretes und viel EU-typisches Wortgeklingel. „In den kommenden zehn Jahren wollen wir eine Union, die sicher und geschützt, prosperierend, wettbewerbsfähig und nachhaltig und sozial verantwortlich ist“, heißt es da.

Athen soll gedroht haben, die Erklärung zu blockieren, wenn die Eurogruppe an „asozialen“ Reformen festhält

Vor allem fehlt dem Papier eine neue, überzeugende Vision, wie es in der EU nach dem Brexit weitergehen soll. Die „immer engere Union“, die im noch gültigen Lissabon-Vertrag versprochen wurde, findet keine Mehrheit mehr; sie wurde klammheimlich gestrichen. Doch ein neues verbindendes Ziel haben die 27 bisher nicht gefunden.

Selbst das Europa der „verschiedenen Geschwindigkeiten“ kann das Vakuum nicht füllen. Es existiert längst, wie Merkel selbst einräumt. So wurde die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengenraum nur von wenigen EU-Staaten angestoßen. Und die Eurorettung wurde von Deutschland außerhalb der EU-Verträge vorangetrieben.

Auch fehlt der politische Wille, die Union weiterzuentwickeln. „In Wirklichkeit gibt es die EU gar nicht – auf Papier schon, aber nicht in echt“, so Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament. Solange einzelne Staaten alles blockieren können, werde es nicht vorangehen. Nach Feierlaune klingt das nicht – eher wie ein Nachruf.

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