Kriminalpsychologin über Täter: „Kranke sind nicht gewalttätiger“

Ein Mann schlug mit einer Axt um sich, ein mutmaßlicher Mörder postet Tatortfotos im Netz. Was heißt „psychisch krank“ bei Straftätern?

Eine Polizistin sammelt Absperrband nach dem Angriff in Düsseldorfer Hbf ein

Nach dem Angriff am Freitag im Hauptbahnhof von Düsseldorf Foto: dpa

Wie schnell kann man beurteilen, ob ein Gewalttäter „psychisch krank“ ist?

Sabine Nowara: Das hängt davon ab, was für ein Störungsbild jemand hat. Wenn jemand eine akute wahnhafte Erkrankung hat und sich bedroht und verfolgt fühlt von höheren Mächten oder irgendwelchen politischen Organisationen, das könnte man schnell merken. Da reicht es, wenn man sich mit dieser Person ein paar Minuten unterhält. In einem kurzen Kontakt kann man aber eine Persönlichkeitsstörung noch nicht feststellen. Wenn ich im Rahmen eines Strafverfahrens Gutachten erstelle, brauche ich für die Begutachtung grundsätzlich mehrere Stunden.

Gibt es gleitende Übergänge zwischen „psychisch krank“ und „gesund“ bei Straftätern?

Wir unterscheiden zwischen Einsichtsfähigkeit bei der Schuldfähigkeit und Steuerungsfähigkeit. Wenn jemand eine Psychose hat, kann es sein, dass er nicht einsichtsfähig ist bei seiner Tat. Er weiß gar nicht, dass er etwas Unrechtes begeht. Und dann haben wir Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, die sind einsichtig, aber können sich nach ihrer Einsicht nur mehr oder weniger gut steuern oder verhalten. Was aber nicht bedeutet, dass jeder, der persönlichkeitsgestört ist, auch vermindert steuerungsfähig ist. Das muss man im Einzelfall genau untersuchen.

In Herne postete der 19jährige mutmaßliche Täter nach dem Mord an einem kleinen Jungen Fotos von sich am Tatort im Internet. Welche Rolle spielen die Sozialen Medien für Gewalttäter?

Es sind einige wenige Fälle, in denen die Täter offenbar die Öffentlichkeit suchen, auch in den Sozialen Medien. Das sind aber Ausnahmen. In den allermeisten Fällen wollen die Täter keine Entdeckung und nicht auf sich aufmerksam machen.

Im Falle des mutmaßlichen Polizistenmörders von Beeskow hatte ein Gutachter den Mann, der zuvor straffällig geworden war, als psychisch krank diagnostiziert. Er kam aber trotzdem auf freien Fuß und tötete später seine Großmutter und zwei Polizisten. Wie sicher sind Gutachten?

Die letzte Entscheidung hat immer der Richter. Da wägt man ab, zeichnet Risikoszenarien auf und bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Aber man kann in einen Menschen nicht hineinschauen und deswegen bleibt immer ein Risiko.

58, ist Kriminalpsychologin, Gutachterin und Honorarprofessorin am Institut für Kriminologie der Universität Köln.

In der Öffentlichkeit entsteht nach den Fällen in jüngster Vergangenheit leicht der Eindruck, psychisch Kranke seien besonders gefährlich.

Psychisch Kranke sind nicht gewalttätiger als Normalbürger auch. Wenn sich ein psychisch Kranker akut bedroht fühlt und meint, sich verteidigen zu müssen und aus dieser Krankheit heraus gewalttätig wird, dann ist das etwas anderes, als wenn jemand während eines geplanten Bankraubs gewalttätig wird. Wenn diese Person behandelt wird, sinkt das Risiko wieder ab, dass er oder sie gefährlich wird. Wir haben viele Krankheitsbilder psychischer Störungen, wo die Menschen überhaupt nicht gefährlich sind, oder wenn, dann legen sie Hand an sich selbst.

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