Kolumne Liebeserklärung: Der Klub der Rechtsgewischten

Damit Schöne und Reiche bei Tinder nicht auf abgehalfterte Waldschrate stoßen, gibt es die geheime Erweiterung „Select“.

Der orangefarbene Schriftzug "I saw you on Tinder"

Bei Tinder gesehen worden? Sie Normalo! Foto: Denis Bocquet / Flickr (CC 2.0)

Hässliche Vögel wie unsereins haben das dunkelblaue S am oberen Bildschirmrand freilich noch nie mit eigenen Augen gesehen. Doch es muss wahr sein; immerhin haben nicht nur bekannte Blätter wie Süddeutsche und FAZ, sondern auch seriöse Zeitungen darüber berichtet: Tinder Select, eine für Reiche, Schöne und Berühmte eingerichtete, exklusive Erweiterung der ­Dating-App Tinder.

Die Standardversion kennt man: Der Onanie überdrüssige Durchschnittsexistenzen wischen auf dem Smartphone angezeigte Profilbilder anderer Trauergestalten nach rechts, wenn sie mit ihnen der Mittelmäßigkeit frönen wollen. Jede dahergelaufene Dampfpfannenvisage kann mitmischen. Und wer sogar beim Normalo-Tinder nach links sortiert wird – auweia.

Zu Tinder Select hingegen gelangt man nur auf Einladung eines Eingeweihten. Einmal dabei, darf man nur eine einzige weitere Schönheit hinzufügen – nur so bleibt der Laden sauber, geht Friedrich Nietzsches Traum vom Übermenschen in Erfüllung.

Denn Tinder Select führt begnadete Körper mit gerissenen Denkern zusammen, vereint vielleicht hochintelligente Topmodels wie Heidi Klum mit gut betuchten Altruisten wie Martin Shkreli – das ist jener ausgefuchste ­Visio- und Millionär, der den Preis eines Aidsmedikaments von 13,50 Dollar um schlappe 5.000 Prozent auf 750 Dollar pro Tablette erhöht hat. Wenn dieses liebenswerte App-Add-on derlei beschlagene und ansehn­liche Menschen einander finden und letztlich kopulieren lässt, profitieren wir als gesamte Spezies davon.

Die Tinder-Select-Pioniere, so heißt es, wurden übrigens algorithmisch bestimmt: Wer viele Anfragen erhält, kommt rein in den Klub der Rechtsgewischten. Dieses Zuchtprogramm lenkt also eine unbestechliche Maschine!

Warum dir, Tinder Select, aber vor allem Liebe gebührt: Seit von deiner angeblichen Existenz die Rede ist, fragen die Leute einen gar nicht mehr: Bist du allen Ernstes nicht bei Tinder, oder warum wurde mir dein Profil noch nie vorgeschlagen? Sie ahnen es jetzt.

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Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.

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