Kolumne Liebeserklärung: Geliebte Beate Zschäpe

Beate Zschäpe sitzt im Knast und hat draußen einen Verehrer. Der wird nie mit ihr zusammen sein können. Aber das stört ihn nicht – im Gegenteil.

Beate Zschäpe

Beate Zschäpe am 08.11.2016 im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München Foto: dpa

Er schickt ihr Liebeserklärungen und Geld. Er postet auf Facebook sanftmütige Fotos von ihr, umrandet von roten Herzen. Er ist offensichtlich verknallt. Aber es gibt ein Problem: Die Frau, die Enrico K. verehrt, sitzt im Gefängnis, es ist Beate Zschäpe. Enrico K. lebt in Freiheit.

Die beiden treffen sich nicht, sie können nicht miteinander reden, sich nicht küssen und auch sonst nichts tun, was Verliebte so miteinander anstellen. Das alles scheint Enrico K. egal zu sein. Bea, wie er die im NSU-Prozess Angeklagte liebevoll nennt, ist seine Obsession.

Solch absurde Leidenschaften kennt man bislang vor allem von Frauen. Immer wieder verlieben sich Frauen in Männer im Gefängnis: in Mörder, Bankräuber, pädophile Täter. Die Frauen stört es nicht, dass die Männer eine kriminelle Vergangenheit haben, dass sie vielleicht nie wieder aus dem Knast kommen. Sie überschütten sie mit großen Gefühlen und kleinen Geschenken.

Die ferne Frau

Warum? Ganz einfach: Der Mann hinter Gittern kann nicht weglaufen, nicht untreu werden, nicht verbal ausfällig und körperlich übergriffig. Die Frauen, die sich utopische Liebschaften zulegen, haben in der Regel ein schwaches Selbstwertgefühl. Und meist keine schönen Erfahrungen mit Männern gemacht. Sie wurden geschlagen, missbraucht, emotional vernachlässigt. Sie hatten mit saufenden Vätern und schwachen Müttern zu tun.

All das haben sie vom „fernen“ Mann nicht zu befürchten. Der ist unter Kontrolle. Manche entwickeln gar eine überbordende Empathie, sie verleugnen, dass der Verehrte buchstäblich „über Leichen“ gegangen ist.

Nur: Das interessiert die Männer meist gar nicht. Sie sind eher an körperlichen Kontakten interessiert, an Sex. Die Frauen dagegen wollen eine geistige, spirituelle Verbindung. Die ohnehin schon ungleiche Liebe wird dadurch noch ungleicher.

Und Enrico K.? Seine Anhänglichkeit an die Rechtsradikale erzählt manches über sein politisches Selbstbild. Und viel über sein Psychogramm.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.