Kolumne So Nicht: Besser: Korsofahren

Die türkische Justiz hat einen schlimmen Verdacht: Ist Deniz Yücel Terrorist? Und gar nicht Journalist? Ich kann dazu nur eins sagen: Ha. Ha.

Auto mit Schild „Free Deniz“, dahinter Gebäude

Ein Autokorso für Deniz Yücel Foto: reuters

Auf diesem Platz schrieb vor mir mein langjähriger Freund und Kollege Deniz Yücel seine Kolumne „Besser“. In der Regel befasste sich Deniz Yücel mit den liebenswürdigen Bewohnern, aber auch und mit der gleichen großen Leidenschaft mit Totalausfällen, Trotteln, Fieslingen und anderen drolligen Dingen, Initiativen, Aussagen und Ideen, die dieses Land hervorbringt.

Er hat diesen Platz verlassen, um als Korrespondent nach Istanbul zu gehen. Diesen Job wollte er schon haben, seit ich ihn kenne. Seinen Traumjob kann er zurzeit allerdings nicht ausüben, weil die türkische Justiz einen schlimmen Verdacht hat: Ist Yücel Terrorist? Und gar nicht Journalist? Ich kann dazu nur eins sagen: Ha. Ha.

Der Türkei-Korrespondent der FAZ hält Yücel auch nicht für einen Terroristen. Aber, so meint der Journalist, der gelernt hat, kritisch zu sein, ­Yücel sei ein „Türke vom Dienst“. Der kritische Journalist hatte sich überlegt, was sich kritische Journalisten halt so überlegen, wenn sie darüber nachdenken, wie sie jetzt kritisch sein können, ohne dafür aus dem Haus gehen zu müssen.

Eines der Lieblingshobbys von Deniz Yücel ist es, jungen Leuten, die Journalisten werden wollen, das Wort kritisch auszutreiben. Denn: Kritisch ist jeder. Besser: Journalist. Auch der Präsident vom Karnevalsverein Bielefeld-Brackwede würde niemals über sich selbst sagen: „Also ich bin ja eher unkritisch“. Und erst recht würde das kein Journalist über sich sagen. Oder haben Sie schon mal die Twitter-Bio eines Journalisten gesehen, in der steht: „Unkritischer Journalist. Arbeitet für Hinz und Kunz. Hier privat“?

Kritisch sein

Deniz Yücel schrieb in einer Besser-Kolumne im Jahr 2013: „Den Ausdruck ,kritisch' haben [Journalisten] so gepachtet wie Dönerverkäufer das Wort „komplett“ … Etwas abgrundtief scheiße oder makellos und wunderbar zu finden, ist unter kriddischen Dschornalisten als unseriös und polemisch verpönt. Stattdessen herrschen in den Kommentarspalten kleinliche Besserwisserei und fettarschige Selbstzufriedenheit.“

Deniz Yücels Freunde und Kollegen und seine Leser haben am Sonntag in Berlin einen Autokorso für ihn organisiert, weil Deniz großer Autokorso-Fan ist. Aber ein kritischer.

Kritiker des Korsos meinten: Das sei ja voll das Türkenklischee mit dem Korso. In einer Kolumne der Wochenzeitung Jungle World ließ Deniz Yücel jedoch 2006 Folgendes wissen: „Es dürfte nur eine Frage von Tagen sein, bis ein pfiffiger Türke versucht, die erste Korsovermietung der Welt zu gründen. Deutsche Fans, die in Steglitz oder Blanke­nese leben und nicht wollen, dass bei der WM die Gardinen so zugezogen und die Straßen so verlassen bleiben wie damals, als der erste amerikanische Panzer durch die Stadt fuhr, brauchen dann nur bei Korso-Ahmet anzurufen: ,Korso mit scharf?‘ – ,Ja' – ,Korso privat, normal, Weltmeister‘? – ,Weltmeister!' – ,Musik extra?‘– ,Gerne.' Integration ist eben keine Einbahnstraße. Trööööt!“

Wir warten jetzt auf ein Statement von Erdoğan: „Der Korso hat mich überzeugt.“ Sollte das nicht kommen, fahren wir so lange weiter Korso, bis wir Deniz wieder haben. Aber kritisch. Tröööööööt!

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