Geht’s noch?: Absichten eines Clowns

Statt endlich wieder lustig zu werden, feuert Jan Böhmermann auf Twitter eine staatstragende Phrase nach der nächsten ab. Angeber!

Jan Böhmermann balanciert einen schwarzen Stift auf seiner Oberlippe

Herr Böhmermann reißt beim Bundeskanzler-Limbo leider die Latte Foto: dpa

Jan Böhmermanns Erdoğan-Dramolettist vorbei, die Außenpolitik an die Bundesregierung zurückdelegiert. Er besitzt jetzt die staatliche Lizenz zur Satire. Ist das immer noch zu wenig Relevanz für jemanden, der mal wochenlang die Deutungshoheit sämtlicher Leitartikler auf sich konzentrierte?

Böhmer­mann jedenfalls schaltete auf Twitter – wo ihm 1,3 Millionen Leute folgen – in den Bundeskanzlermodus, von Helge Schneider auf Helmut Schmidt quasi. Das geht dann so: „Unsere Blocklisten sollen eine Mahnung an unsere Kinder sein“ (über Trolle). Oder über Trumps Dekrete: „Wenn denen, die uns die Freiheit geschenkt haben, die Freiheit genommen wird, dürfen wir das nicht akzeptieren. Das ist keine Übung.“ Und alle innerlich so: Hä? Ist der jetzt ernst, vom Duktus her?

Nun. Er hat, natürlich, recht. Und kann viele erreichen, denen Politik sonst am Arsch vorbeigeht. Sollte man ihm also nicht danken? Gerade jetzt, da man beinahe einen Eimer neben dem Bett braucht beim morgendlichen Blick auf die Nachrichten­ticker; da ein grenzdebiler Sadist derart durch den demokratischen Wertekanon trampelt, dass das Internet auf der anderen Seite des Atlantiks aus schierer Panik einen etwas bratwurstigen Rheinländer mit Halbglatze zum trendenden Gottkanzler erhebt?

Schon. Aber: Muss er gleich quer über drei Spuren Richtung Bellevue rüberziehen? Mit so einem Sperrfeuer der staatstragenden Eiteleien statt wenigstens schlechten Witzen (oder, wie früher, sogar ein paar guten)? Dauer­eri­giert, nicht sachlich – vor allem gegenüber Kritik („Sie Unmensch“ – 468 Likes). Und zu moralistisch, um diejenigen aufzuwecken, die immer noch pennen.

Überheblichkeit hilft in diesen Zeiten nun mal nicht. Und: So wird man nicht Staatsoberhaupt, auch kein geistiges. Obwohl Böhmermann nun laut seiner „Neustaffelansprache“ angesichts eines „Machtvakuums von der Größe des Appetits von Peter Altmaier“ (für so was wäre sich sogar Mario Barth zu schade, aber witziger wird es beim ZDF ja leider schon lange nicht mehr) den Laden übernimmt: „Damit ist die Bundesrepublik ab sofort das zweite Land weltweit, das von einem durchgeknallten Fernsehfuzzi, der ein bisschen zu oft bei Twitter die Fresse aufreißt, geführt wird.“ Ist das jetzt eine Übung?

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taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul. Schreibt am liebsten über Innenpolitik und Abseitiges.

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