Berlin im Visier von Terroristen: „Bald in Berlin“

Sicherheitsbehörden befürchteten schon lange einen Anschlag wie am Berliner Breitscheidplatz. Nun herrscht dort die Angst vor Folgetaten.

Ein Lastwagen, der offensichtlich durch Buden eines Weihnachtsmarkts gefahren ist

Ein Lkw als einfaches Mittel, das viel Zerstörung anrichten kann – und angerichtet hat Foto: dpa

BERLIN taz | Das Attentat von Nizza war im Juli gerade geschehen, da verschickten Islamisten im Internet schon die nächste Botschaft. „Bald in Berlin“, zirkulierten Fotomontagen durch die sozialen Netzwerke. Es war Rumgetöne. Es war aber auch eine Drohung.

Nun, mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz, könnte sie sich bewahrheitet haben. Am Dienstagabend bekannte sich die IS-nahe Agentur Amaq zu der Tat. Details oder den Namen des Attentäters indes sparte sie aus. Noch also gilt Vorsicht. Und noch ist der Täter auch nicht gefasst. Ein erster Verdächtiger wurde am Dienstagabend von der Bundesanwaltschaft wieder freigelassen.

Die deutschen Sicherheitsbehörden aber hatten einen solchen Anschlag schon lange befürchtet. Von einer hohen „abstrakten“ Terrorgefahr war dort in den letzten Monaten stets die Rede. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutz, warnte schon nach der Tat von Nizza vor islamistischen Einzeltätern, die zunehmend auf eine „unkomplizierte Tatausführung mit einfachen Mitteln“ setzten.

In Nizza hatte ein Attentäter am 14. Juli 86 Menschen mit einem Lastwagen getötet, mehr als 300 wurden verletzt. Die danach erfolgten Online-Drohungen gen „Berlin“ indes relativierte Maaßens Amt: Dies seien Reaktionen „einzelner Nutzer“, keine Ankündigungen jihadistischer Organisationen selbst.

Lkw schon 2010 „ultimative Mähmaschine“

Erst im November allerdings warb das IS-Magazin „Rumiyah“ ganz explizit für Anschläge mit schweren LKW. Die „tödliche Wirkung“ dieser Fahrzeuge werde noch viel zu wenig begriffen, heißt es in einem dortigen Artikel. Dabei seien diese doch eine „der sichersten und leichtesten Waffen, die man gegen die Kuffar einsetzen kann“.

Drei Seiten lang werden genaue Anweisungen gegeben: Zu wählen seien möglichst schwere und große LKW, die gut beschleunigen könnten, heißt es. So erreiche man den größten Schaden. Als Ziel werden große Open-Air-Veranstaltungen, Märkte oder Paraden empfohlen. Und explizit wird auch darauf hingewiesen, dass man die Fahrzeuge auch stehlen könne – so wie möglicherweise in Berlin geschehen.

Die Strategie der Islamisten, LKWs als Waffen zu benutzen, ist nicht neu. Der Verfassungsschutz verweist auf eine Ausgabe des al-Qaida-Magazins „Inspire“ von bereits 2010, in dem dieser Modus Operandi für den „individuellen Jihad“ bepriesen wird. „Die ultimative Mähmaschine“, heißt es dort. „Es ist einfach und braucht wenig Vorbereitung.“

Im September 2014 forderte auch der damalige IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani zu Anschlägen mit einfachen Mitteln auf: „Zerschmettert seinen Kopf mit einem Stein, schlachtet ihn mit einem Messer, überfahrt ihn mit einem Auto.“

Sicherheitsbehörden weiter „hoch alarmiert“

Das schwere Attentat von Nizza wurde in der Szene denn auch bejubelt. Dieses habe „großartig demonstriert“, wie Anschläge mit Fahrzeugen aussehen können, pries „Rumiyah“.

Und tatsächlich strahlte die Tat aus. Vier Tage nach Nizza griff auch in Deutschland ein Mann zur Gewalt. In Würzburg attackierte ein 17-Jähriger Reisende in einem Regionalzug mit einer Axt. Mehrere Menschen wurden verletzt, der Täter von der Polizei erschossen. In einem Video hatte er sich zum IS bekannt.

Ermittler untersuchten später seine Chatkommunikation. Eine IS-Kontaktperson soll den Täter anfangs eigentlich zu einer anderen Tatwaffe angestiftet haben: zu einem Anschlag mit einem Auto. Der 17-Jährige aber lehnte ab. Er habe keinen Führerschein.

Nach dem Berliner Anschlag nun fürchten die Sicherheitsbehörden weitere Folgetaten. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU), sagte, es sei zu befürchten, dass es Nachahmer geben könnte. Auch BKA-Chef Holger Münch warnte, nach einem solchen Anschlag sei mit einem „erheblichen weiteren Attentatsrisiko“ zu rechnen. Die Sicherheitsbehörden seien weiter „hoch alarmiert“.

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