Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Berlin: „Du bist in Sicherheit?“ – 16 Likes.

Kurz nach dem Anschlag in Berlin wurde der SafetyCheck auf Facebook aktiviert. Doch die Aussagekraft des Tools ist begrenzt.

ein riesiges exit-Piktogramm ist auf eine Wand neben einer Tür gemalt. Der Pfeil zeit in Richtung der Tür

Bist Du in Sicherheit? Foto: .marqs / photocase

Kurz nachdem am Montagabend ein Lkw in einen Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin gerast war, aktivierte Facebook den SafetyCheck. Noch bevor die offizielle Telefonhotline der Polizei geschaltet war. Tausende markierten sich „in Sicherheit“ und gaben damit den mit ihnen im Netz verbundenen Menschen Entwarnung. Gleichzeitig entfachte das Tool eine neue Diskussion um die Auswirkungen solcher Checks als Angebot sozialer Dienste.

Der SafetyCheck ist ein integriertes Facebook-Tool, das im Jahr 2014 ursprünglich für Naturkatastrophen entwickelt worden war. Seit den Attentaten von Paris im Jahr 2015 wendet Facebook SafetyCheck auch für Anschläge an. Nachdem die Funktion durch einen Algorithmus aktiviert wurde, können Nutzer*innen öffentlich bekanntgeben, dass sie sich nicht unter den Opfern einer Katastrophe oder eines Anschlags befinden. Dabei fordern sie sich auch gegenseitig auf, sich als „sicher“ zu markieren, um schnellstmöglich Gewissheit zu erlangen.

Definitionshoheit liegt bei Facebook

Um welches Ereignis es sich dabei handelt, definiert Facebook selbst. So nannte das Netzwerk den Vorfall in Berlin zuerst „Anschlag in Berlin“, obwohl zu dieser Zeit noch unklar war, ob es sich um einen Anschlag oder einen Unfall handelte. Hier wurde eine Realität geschaffen, die sich später zwar als wahr herausstellte, jedoch zum gegebenen Zeitpunkt jeder Grundlage entbehrte. Kurze Zeit später wurde der Titel korrigiert, der SafetyCheck hieß fortan „Vorfall am Weihnachtsmarkt in Berlin“. Doch war es nicht nur die anfängliche Namensgebung, die bei Kritiker*innen für Aufregung sorgte. In den zahlreichen Diskussionen kam auch die Frage auf, welchen Beitrag das Sicherheitstool wirklich zur Beruhigung der Bevölkerung leisten könne.

Als am 13. November 2015 terroristische Anschläge die Menschen in Paris erschütterten, nutzten laut Facebook Millionen Nutzer*innen die SafetyCheck-Funktion. Auch in Brüssel und Nizza diente das Feature vielen als einfaches Informationsmittel. Zweifellos kann SafetyCheck insbesondere für Menschen mit Beziehungen ins Ausland von großem Nutzen sein. Dies betrifft vor allem Personen mit Migrationshintergrund, Austauschstudierende oder Touristinnen und Touristen. Wenn ein Anruf über Ländergrenzen hinweg nicht möglich ist, weil beispielsweise das lokale Telefonnetz zusammenbricht, kann der Facebook-Dienst schnell und einfach Auskunft über die Situation der Angehörigen geben. Es vereinfacht außerdem die Kommunikation: Waren vorher zahlreiche Anrufe nötig, reicht nun ein Blick in den SafetyCheck.

Institutionalisierung eines Dienstes

Doch was, wenn der notwendige Internetzugang nicht besteht oder Nutzer*innen die Funktion nicht nutzen möchten? Ein nicht gesetztes „in Sicherheit“ sagt dann wenig aus über den tatsächlichen Verbleib der Person. Fehlt eine Person in der Safety-Liste, könnte das die Sorge außerdem noch erhöhen. Das stellt die Frage nach der eigentlichen Aussagekraft des SafetyCheck.

In solch einer Extremsituation nutzen vermutlich selbst diejenigen das Tool, die sich sonst gegen derartige Angebote wehren würden.

Gleichzeitig wächst der Druck auf diejenigen, die Facebook-Features normalerweise boykottieren. Denn das fällt schwerer, wenn damit Unsicherheit im Freundes- und Familienkreis ausgelöst wird. In solch einer Extremsituation nutzen vermutlich selbst diejenigen das Tool, die sich sonst gegen derartige Angebote wehren würden.

Facebook geriet wegen des Features schon einmal in die Kritik. Nur einen Tag vor den Anschlägen in Paris blieb die Funktion den Menschen in Beirut verwehrt, als bei einem Doppelattentat 44 Menschen getötet wurden. Vor allem Internetnutzer*innen aus der arabischen Welt kritisierten dieses Vorgehen. Zu westlich orientiert wähle das Netzwerk aus, was als relevanter Anschlag gelte und somit den SafetyCheck benötige. Der Aktivierungsmechanismus wurde daraufhin verändert: Mittlerweile wird der Check automatisch aktiviert, sobald an einem Ort vermehrt Schlüsselworte benutzt werden und Nachrichtenseiten die Information teilen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.