EU-Konferenz über Tierversuche: Sendung mit der toten Maus

Welche Alternativen gibt es zu Tierversuchen? Die EU-Kommission hat als Reaktion auf große Proteste eine Konferenz veranstaltet.

Eine Hand in Gummihandschuh hält eine Maus am Schwanz

Tierversuche sollen beendet werden – aber wann? Maus im Labor Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Tierversuche seien „eine Gefahr für die menschliche Gesundheit“, eine „Bremse in der Entwicklung“ und eine „inakzeptable Praxis“. Mit diesen Botschaften sammelte die Bürgerinitiative „Stop Vivisection“ 2015 europaweit fast 1,2 Millionen Unterschriften für ein Ende aller Tierversuche in der EU, so schnell wie möglich.

Die europäische Kommission reagierte darauf. In dieser Woche lud sie erstmals zu einer Konferenz zu dem Thema nach Brüssel ein, Titel: „Tierfreie Herangehensweisen. Ein Weg nach vorne“. Stop Vivisection allerdings boykottierte die Veranstaltung und organisierte zeitgleich ein eigene Tagung im Europäischen Parlament.

Die Bürgerinitiative will nicht nur Tierversuche abschaffen, sondern fordert auch einen „Respekt der Grundrechte der Tiere“ – darüber wollte man auf der Konferenz dann doch nicht diskutieren. Eine der Organisatorinnen der Initiative, Mónica Fontana, verlas lediglich ein Statement, unter nervösen Blicken im Publikum. Sie solle sich bitte kurz halten, mahnte die Moderatorin an. Später sagte Fontana: „Bei Stop Vivisection ging es uns nicht nur um eine bessere Wissenschaft. Uns ging es vor allem auch um Ethik für alle fühlenden Lebewesen.“

Auf der Konferenz war die Priorität anders. Rund 500 Forscher, Vertreter der Kommission, von Aufsichtsbehörden und auch von Tierrechtsorganisationen diskutierten, wie Richtlinien eingehalten werden können, die das Leid der Tierversuchstiere reduzieren. „Niemand steht hier auf und sagt: Hört einfach endlich auf!“, meint Lindsay Marshall, Sprecherin der Tierrechtsorganisation Human Society International.

Dabei sei die tierfreie Forschung auch wissenschaftlich gesehen die Zukunft. „90 Prozent aller Medikamente, die erfolgreich an Tieren getestet wurden, versagen beim Menschen“, sagt Marshall, selbst lange Forscherin. „Wir brauchen dringend bessere Modelle. Und die sind tierfrei.“ Viele Karrieren seien auf Tierversuchen aufgebaut – vor diesem Hintergrund sieht Marshall die Konferenz als ein Meilenstein. Immerhin wurde diskutiert, wie es weniger Tierversuche geben kann.

Es braucht Zeit

Die EU-Kommission forciert das Thema, nicht immer zur Begeisterung der Mitgliedstaaten. Das Ziel, alle Tierversuche langfristig abzuschaffen, hat sie in der EU-Richtlinie zu Tierversuchen bereits 2010 festgeschrieben. Jetzt prüft sie deren Umsetzung und hat ein Verfahren gegen Italien eingeleitet, dass die Richtlinie verletzt. Deutschland, das sich selbst gern hoher Tierschutzstandards rühmt, ist, so ist zu hören, eines der Länder, das ebenfalls kritisch eingeschätzt wird.

Mónica Fontana, Stop Vivisection

„Uns geht es um Ethik für alle fühlenden Lebewesen“

Bei aller Kritik scheint Stop Vivisection Brüssel beeinflusst zu haben. „Die Bürgerinitiative hat uns Momentum gegeben und wir sitzen hier dank ihnen“, sagte Susanna Louhimies, verantwortlich für die EU-Richtlinie bei der Kommission. Sie betont jedoch, dass es Zeit brauche, Tierversuche zu ersetzen.

Das sieht auch Reyk Horland so, Vizepräsident von TissUse aus Berlin. Sein Unternehmen entwickelt biologische Multi-Organ-Chips: Auf einem Visitenkarten großen biologischen Miniorganismus sind dabei Zellen von verschiedenen Organen über Nährmedien verbunden. Die meisten Zellen kommen vom Menschen. So kann die Wirkung von Substanzen auf die entsprechenden Organe getestet werden kann.

Schwere Annäherung

Vor allem für die Sicherheitsbewertung von Substanzen ist die neue Technologie vielversprechend, aber auch für die Diagnose von Krankheiten. Oft wird der Multi-Organ-Chip als Zukunftsalternative zu bisherigen Tiermodellen angeführt. Horland selbst ist dabei vorsichtiger. „Auch wenn wir alle lieber heute als morgen Tierversuche abschaffen würden – wir kommen in der Forschung nicht so schnell überall ohne Tiere aus.“ Das sei auch ein Grund, warum Wissenschaftler und Tierschützer sich nur schwer annäherten.

„Wir sind an Dialog und Transparenz interessiert“, sagt eine Neurobiologin, die Experimente mit Affen macht. „Doch wenn man uns nur beschimpft, dann mag man sich nicht mehr auseinandersetzen.“ In diesem Sinne dankte ein Wissenschaftler aus dem Publikum am Ende der Konferenz allen für die konstruktive Diskussionen und die freundliche Atmosphäre.

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