Kein Schutz für Schwule

Hamburger Gericht verweigert homosexuellem Afghanen Asyl, obwohl Schwulen im Islam die Todesstrafe droht. Begründung: Sex mit Jungen habe in Afghanistan Tradition, der Kläger könne Neigung ja „im Verborgenen“ ausleben

von Eva Weikert

Seine Angst ist so groß, dass er weder sein Alter noch seinen Namen in der Zeitung lesen will: Omar K. (Name geändert) ist Afghane und schwul. In Hamburg, wo er seit seiner Flucht vor den Taliban lebt, wissen weder Familie noch Freunde, dass er homosexuell ist und seit drei Jahren einen festen Partner hat. Gleichgeschlechtliche Beziehungen seien auch für in Europa lebende Afghanen ein „totales Tabu“, sagt Omar K. In Afghanistan selbst „gibt es kein Leben für Homosexuelle“. Trotzdem soll er dorthin zurückkehren. So will es das Hamburger Verwaltungsgericht (VG), welches das Asylbegehren des jungen Mannes abgewiesen hat. Die Urteilsbegründung ist haarsträubend.

Omar K. hatte Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingereicht. Da homosexuelles Verhalten nach islamischem Recht verboten sei, drohe ihm bei einer Abschiebung Verfolgung und schlimmstenfalls die Todesstrafe, argumentiert er. Auch hätten afghanische Pflegeeltern eine Braut für ihn ausgesucht. Er aber habe hier einen Partner. Die Beziehung müsse er sogar in Hamburg im Verborgenen führen.

Die Vereinten Nationen konstatieren in ihrem Bericht zu Afghanistan vom Juni 2005, offene homosexuelle Beziehungen dort zu führen sei „unmöglich“. Homosexualität sei im Islam verboten und werde mit dem Tode geahndet (siehe Kasten).

Das Hamburger VG aber sieht für Omar K. keine „relevante Verfolgungsgefahr“. Es ist der Ansicht, die neuen afghanischen Machthaber würden gleichgeschlechtliche Beziehungen weniger restriktiv verfolgen als die Taliban. Als Beleg führt das Gericht ausgerechnet die Zunahme von Kindesmissbrauch und Prostitution an. Dazu zitiert es aus einem Reisebericht des Österreichischen Roten Kreuzes von 2003 und einem Papier des Londoner „Institut for War and Peace Reporting“ (IWPR) aus demselben Jahr. Was das Gericht aber auslässt, ist der Hinweis der Österreicher, es gebe in Afghanistan keine offizielle Schwulen-Szene, sehr wohl aber ein „höchst kriminelles“ Rotlichtmilieu.

Stattdessen zitiert das Gericht das Rote Kreuz mit dem Hinweis, „homosexuelle Praktiken“ würden nach dem Machtverlust der Taliban „wieder aufleben“: Männliche Homosexualität sei in „bestimmten Berufsgruppen verankert, wo man eine echte Neigung sanktioniert ausleben oder auch seinen Lebensunterhalt verdienen könne“. Nach Aussagen von internationalen Vertretern vor Ort seien „tanzende Knaben“ Tradition sowie sexuelle Beziehungen zwischen Männern und Jungen. Schließlich berichte auch das IWPR, argumentiert das VG, „dass die von den Taliban verbotene Praxis des Geschlechtsverkehrs zwischen Männern und minderjährigen Jungen wieder auflebe“, und dass es insbesondere bei Militärkommandanten „durchaus üblich“ sei, Jungen „manchmal auch zum Sex zu veranlassen“.

Besonders im Süden des Landes sei Homosexualität verankert, fährt das VG fort und folgt der Argumentation des Juristen, der das Bundesamt im Streit vertritt. Dieser sieht in der Abschiebung von Schwulen nach Afghanistan unter anderem darum kein Problem, weil nach einem Bericht des US-Senders „Radio Free Europe“ die Stadt „Kandahar wie San Francisco bekannt für das dort weit verbreitete homosexuelle Verhalten“ sei.

Unter Berücksichtigung „dieser Erkenntnisse“, schlussfolgert das Gericht, sei davon auszugehen, dass Omar K. bei einer Rückkehr „nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ Verfolgung drohe, sondern dass es ihm vielmehr „nicht unmöglich sein wird, seine Neigung innerhalb dieser tolerierten Grauzone im Verborgenen auszuleben“. Nach dem Machtverlust der Taliban sei wieder eine „entsprechende Szene, wenn auch im Verborgenen, vorhanden“.

Omar K. will das Urteil anfechten. Jetzt prüft das Oberverwaltungsgericht seinen Antrag auf Revision.