Waffenstillstand in Aleppo: Noch keine Rettung Verletzter möglich

Es ist hart um eine Waffenruhe in Aleppo gekämpft worden, damit Verletzte versorgt werden und Zivilisten fliehen können. Beides klappt nicht.

Eine Demonstrantin hält ein Schild hoch auf dem steht: Nein zu systematischer Vertreibung

Mit einer Demo haben sich die Menschen im von den Rebellen gehaltenen Teil von Aleppo am Donnerstag gegen die Evakuierung von Zivilisten ausgesprochen Foto: reuters

GENF/BRÜSSEL rtr/dpa | Russland verlängert die Waffenruhe in der umkämpften syrischen Großstadt Aleppo um einen weiteren Tag bis Samstagabend 19 Uhr Ortszeit. Das habe Kremlchef Wladimir Putin auf Bitten internationaler Organisationen entschieden, sagte Sergej Rudskoj vom russischen Generalstab am Freitag in Moskau Agenturen zufolge. Russland und sein Partner Syrien hatten die Feuerpause Anfang der Woche angekündigt und am Donnerstag bereits um einen Tag verlängert.

Rudskoj machte die moderate Opposition dafür verantwortlich, dass noch immer in Aleppo gekämpft werde. Die humanitären Korridore, über die Zivilisten den Ostteil der Stadt verlassen können, seien blockiert, kritisierte er. Ein Aufruf Russlands an die USA, Druck auf die moderate Rebellengruppen zu machen, sei nicht beantwortet worden.

Das beudeutet für die Bewohner Aleppos: Trotz der Feuerpause müssen sie weiter auf Hilfe warten. Es fehlten Sicherheitsgarantien und Unterstützung vor Ort, um Kranke und Verletzte aus der Stadt zu bringen, sagte ein UN-Sprecher am Freitag in Genf. Die syrische Regierung erklärte, sie habe längst grünes Licht gegeben und auch Busse und Krankenwagen bereitgestellt.

Aber Angriffe von Rebellen auf die ausgewiesenen Wege behinderten die Transporte. Die einseitigen Feuerpausen von Syrien und dem russischen Verbündeten gelten tagsüber. In der Nacht hingegen habe es weiter schwere Gefechte gegeben, berichtete ein Offizier der Rebellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Menschen bräuchten einen dauerhaften Waffenstillstand. Trotz des Widerstands einiger EU-Staaten seien auch Sanktionen gegen Russland möglich.

Die Lage der Bevölkerung in Aleppo ist katastrophal, nachdem die Luftangriffe vor der Feuerpause noch zugenommen hatten. Obwohl die Europäische Union (EU) Russland dafür mit verantwortlich machte, konnten sich die 28 Staaten beim EU-Gipfel in Brüssel nicht auf Sanktionen einigen.

„Wenn die Grausamkeiten nicht aufhörten, würden alle Optionen in Betracht gezogen“, sagt Theresa May

„Dennoch sind die Weichen gestellt, dass wir nicht einfach tatenlos zuschauen, wenn sich die humanitäre Lage und die Verletzung der Rechte dort nicht verändert“, sagte Merkel. „Das betrifft unter Umständen auch Russland.“ Die britische Premierministerin Theresa May äußerte sich ähnlich. Wenn die Grausamkeiten nicht aufhörten, würden alle Optionen in Betracht gezogen, sagte sie.

Russland hat laut UN-Angaben am Donnerstag für mindestens vier Tage eine jeweils elfstündige Kampfpause für Aleppo angekündigt. Diese Phase wollten die UN nutzen, um Hunderte Verletzte aus dem belagerten Osten der ehemaligen Handelsmetropole zu schaffen sowie Lebensmittel und Hilfsgüter in die Stadt zu bringen. Das syrische Staatsfernsehen zeigte Bilder von wartenden Bussen und Krankenwagen, die Menschen aus dem Ostteil Aleppos über festgelegten Korridore herausbringen sollten.

Nur wenige Zivilisten nutzen Korridore

Diese Möglichkeit wird aber offenbar nur von wenigen Zivilisten und Rebellen genutzt. Die Rebellen lehnen die Waffenpause ab. Sie diene nur dazu, Regimegegner aus der Millionen-Stadt herauszulocken. Für die Menschen in der Stadt werde nichts getan, argumentieren sie.

Nach jahrelangem Bürgerkrieg wird eine Lösung des Syrien-Konflikts, der im Kern auf einen Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad zurückgeht, auch durch die unterschiedlichen Interessen Russlands und der USA erschwert. Während die Moskauer Regierung hinter Assad steht, unterstützen die USA gemäßigte Rebellen in ihrem Kampf gegen die Führung in Damaskus.

Auf diplomatischer Ebene zeigte sich dieser Dissens auch am Freitag: Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen vor, auf die früher als Al-Nusra-Front bekannte Miliz für einen Sturz von Assad zu setzen. Anhänger der Gruppe weigerten sich, Aleppo zu verlassen, sagte Lawrow.

Bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf sprach der syrische Gesandte Hussam Aala von einer „Propaganda-Kampagne“ des Westens und der Golfstaaten. „Die Hysterie dieser Länder um den Ostteil von Aleppo … macht das Ziel deutlich, in dem Stadtviertel eingeschlossene Terroristen zu schützen.“ UN-Menschenrechtskommissar Seid Ra'ad al Hussein brandmarkte dagegen Bombardement und Belagerung als Kriegsverbrechen. Der Menschenrechtsrat stimmte für eine unabhängige Untersuchung zu Aleppo, um Verantwortliche für Vergehen und Verbrechen identifizieren und zur Rechenschaft ziehen zu können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.