Kunst aus Simbabwe, Kenia und Angola: Migration aus der Sicht eines Afronauten

Die National Gallery of Zimbabwe, die Makerere Art Gallery in Uganda und die Städtische Galerie Bremen haben die Ausstellung „The Girl’s Basket“ konzipiert.

Immy Malis abstraktes Bild ihres Verlobten in Chat-Verläufen. Foto: Greete Palmiste

BREMEN taz | Gläserne Scheiben mit Chatverläufen hängen an dünnen Fäden im Raum. Das Mobile aus Smartphonedisplays bildet die Umrisse eines Menschen. „Er kam mir vor wie ein Geist, das Smartphone war das Einzige, was ich von ihm berühren konnte“, sagt die Künstlerin Immy Mali über ihren Verlobten, dessen symbolische Kontur gerade vor uns hängt. Seit er Uganda verlassen hat, um in Saudi Arabien Geld zu verdienen, findet die Beziehung der beiden über Whatsapp und Skype statt. Immy Mali sieht ihn nur einmal im Jahr. „Die Beziehung ist so fragil – wenn ich aufhöre zu schreiben, ist sie vorbei“, sagt die junge Frau.

Mali und Arbeiten von 14 weiteren KünstlerInnen sind in der Wanderausstellung „Kabbo ka Muwala – The Girl's Basket“ zu sehen, die vom 25. September bis zum 11. Dezember als Wanderausstellung in der Städtischen Galerie Bremen gastiert. Vielschichtige, komplexe und multimedial präsentierte Geschichten erzählen von transnationalen Beziehungen, der Erfahrung von Fremdheit, Entwurzelung oder Xenophobie und ungleichen Machtverhältnissen.

Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf Migration und Mobilität in Süd- und Ostafrika. Da sich hierzulande die öffentliche Diskussion vor allem um die in der EU ankommenden Immigranten drehe, sei „innerafrikanische Migration unterrepräsentiert“, so der Kurator Ingmar Lähnemann. Obwohl das für mehr Menschen eine Rolle spiele als die Auswanderung nach Europa. Daher sollen vor allem Stimmen von KünstlerInnen aus afrikanischen Ländern zu Wort kommen.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit der National Gallery of Zimbabwe, der Makerere Art Gallery in Uganda und der Städtischen Galerie Bremen entstanden. Vieles sollte dabei anders gemacht werden. Entgegen der üblichen Machtverhältnisse wurde sie zuerst in Harare und Kampala gezeigt. Wissenschaftlich begleitete der „European Master in Migration and Intercultural Relations“ der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg das Kooperationsprojekt. Das Thema erfordere die kunstwissenschaftliche Perspektive und die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung, so Lähnemann.

Wie die migrierenden Personen verändert sich die Wanderausstellung je nach soziopolitischen Umständen. Bremens Kolonialgeschichte prädestiniert die Stadt für die Auseinandersetzung mit dem Thema.

Der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz war Gründer der späteren Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika, im heutigen Namibia. In einem betrügerischen Deal kaufte er dem Nama-Häuptling Joseph Frederiks das Land ab: Nach Vertragsabschluss behauptete er kurzerhand, beim Längenmaß handele es sich nicht um englische, sondern die – kurz nach Reichsgründung eigentlich durchs metrische System abgelöste – deutsche Meilen. Also rund das Fünffache. Heute gilt Lüderitz als Wegbereiter des Völkermords an den Herero und Nama, den die Deutschen ab 1904 verübten.

Das wird in einer Arbeit speziell für die Ausstellung in der Städtische Galerie thematisiert. Die Künstlerin Miriam Syowia Kyambi war auf Spurensuche im Archiv des Übersee-Museums. „Ich fühlte ein sehr schweres Gewicht auf mir, als ich anfing, an der Beziehung zwischen Deutschland und Namibia zu arbeiten“, sagt die überwiegend in Kenia lebende Kyambi. Die Kofferwaagen in ihrer Arbeit, an denen zusammengenähte Stoffstücke mit Archivmaterial hängen, weisen auf diese Last der Geschichte hin.

Miriam Syowia Kyambi

„Ich fühlte ein sehr schweres Gewicht auf mir, als ich anfing, an der Beziehung zwischen Deutschland und Namibia zu arbeiten“

Doch die jungen, global agierender KünstlerInnen würden Migration auch als positive Kraft begreifen, so Ingmar Lähnemann. Viele der künstlerischen Positionen sind selbst aus der Erfahrung von globaler Mobilität entstanden und auch international höchst anerkannt, wie Nástio Mosquito: Dessen Arbeiten waren bereits im Museum of Modern Art (Moma) in New York zu sehen. Oder die Fotojournalistin Jodi Bieber, die den World Press Photo Award erhielt. Oder natürlich Gerald Machona: Die Plastik „Ndiri Afronaut – Ich bin ein Afronaut“ des 30-jährigen Künstlers aus Zimbabwe war bereits 2015 in Venedig ein Blickfang, im Frühjahr war sie auf der Biennale von Sidney zu sehen.

In Bremen zeigt Machona die Videoarbeit „Vabvakure: People from far away“. Sie ist gleich am Eingang zu sehen, und bildet so eine Art Auftakt der Ausstellung: Im Video landet Machonas „Afronaut“ wie die BesucherInnen in einer anderen, fremden Welt. In einem Raumanzug aus wertlosen Zimbabwe-Dollars ist das für die Kunden eines südafrikanischen Supermarkts befremdlich anzusehen. Die Handkamera dokumentiert, wie ein weißer Junge irritiert mit dem Finger auf den „Menschen von weit weg“ zeigt. Eine ironisch-humorvolle Metapher für die ernsthaften Ausbrüche von Fremdenhass, die 2008 in Südafrika zu gewalttätigen Übergriffen auf Einwanderer aus Zimbabwe führten.

Migration ist ein Weg voll von potenziellen Hindernissen, aber auch positiven Erlebnissen. Das ugandische Sprichwort „Kabbo ka Muwala“ im Titel der Ausstellung bezieht sich auf einen Heiratsbrauch der Baganda. „The Girl's Basket“, das Mädchen mit dem Korb, wird von den Eltern des Ehemannes mit Geschenken ausgestattet und kehrt so zurück zu ihren Eltern, um anschließend mit deren Geschenken zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Die Anschaulichkeit der Metapher zeigt, wie Bilder ein so komplexes Phänomen wie Mobilität und Migration fassbarer machen können.

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