Kommentar Merkels Fehlereingeständnis: Bis der Horst endlich Ruhe gibt

Die Kanzlerin hat keinen Kotau vor Seehofer gemacht, sondern Realitätssinn bewiesen. Bis zum Parteitag wird der CSU-Chef aber nicht von ihr ablassen.

Angela Merkel kneift die Lippen aufeinander

Ein bisschen zerzaust, ein bisschen trotzig auch Foto: dpa

Ja, Angela Merkel hat Gefühle gezeigt. Und nein, das sollte man auf keinen Fall mit Schwäche verwechseln. Schon gar nicht mit einem Kotau vor dem Obergrenze-Fetischisten Horst Seehofer.

Was die CDU-Vorsitzende am Montag im Konrad-Adenauer-Haus präsentiert hat, waren ihre Überzeugungen sowie das Ergebnis eines Prozesses gründlichen Nachdenkens.

Ja, wir haben Fehler gemacht. Und nein, so wie letztes Jahr wird es nicht mehr laufen. Ja, wir haben weggeschaut und waren deshalb schlecht vorbereitet. Nein, eine Obergrenze wird es deshalb dennoch nicht geben. Das nennt man Realitätssinn à la Merkel. Im Übrigen: Als mitreißende Rhetorikerin ist diese Frau weiß Gott nicht bekannt.

In Bayern löst Merkels Auftritt dennoch leise Triumphschauer aus. Die Kanzlerin – ganz klein! Jetzt müsste sie nur noch „Obergrenze“ sagen. Oder wenigstens „Orientierungsgrenze“. Na gut, ein kleiner „Richtwert“ wäre auch okay. Nun sag’s schon, Angela! Dann lässt der Horst dich in Ruhe.

Der CSU-Chef hat gerade erst Geschmack daran gefunden, Angela Merkel zu zausen

Wer so denkt, kennt Horst Seehofer schlecht. Der eitle Ingolstädter hat gerade erst Geschmack daran gefunden, Merkel zu zausen. Sein öffentliches Vorführen der Kanzlerin wird – frühestens! – Anfang November beim CSU-Parteitag ein gnädiges Ende finden.

Zum anderen offenbart sich in diesem Wortgeschachere ein geradezu armseliger Politikbegriff. Wovon reden wir hier eigentlich? Doch wohl über Schutzbedürftige. In Syrien, in Afghanistan, im Irak können sich Menschen ihres Lebens nicht sicher sein. Und in Deutschland soll man sagen: Wir sind voll?

In der DDR gab es das seltsame Wort „Planfortschreibung“. Konnte die Produktionsvorgabe nicht erfüllt werden, wurde die Planung einfach rückwirkend geändert. Ein armseliges Spiel mit der Realität war das, ausgeheckt von Leuten, die tief sitzende ideologische Probleme hatten. Eine „Obergrenze“, wie sie sich die CSU wünscht, wäre ein vergleichbarer Blödsinn.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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