NS-Prozess gegen 92-Jährige abgesagt: Zu gebrechlich für Gerechtigkeit

Einer 92-jährigen Auschwitz-Funkerin wird doch kein Prozess gemacht. Ein weiterer NS-Prozess beginnt erneut, weil der Angeklagte immer fehlte.

Gebäude und Kamine stehen hinter einem Zaun

Beschäftigt Gerichte bis heute: Der Massenmord, der im Vernichtungslager Auschwitz begangen wurde Foto: dpa

BERLIN taz | Eine heute 92-Jährige ehemalige Funkerin im Vernichtungslager Auschwitz bleibt von einer Strafe verschont. Das Landgericht Kiel lehnte am Freitag die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen der dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit von Helma Christel M. ab.

Die nahezu blinde und fast gehörlose Angeschuldigte sei nach einer Erkrankung nicht mehr in der Lage, „ihre Verfahrensrechte und Interessen sachgerecht wahrzunehmen“, heißt es in der Begründung. M. war der Beihilfe zum Mord an 266.390 Menschen angeklagt. Mindestens so viele Menschen waren während ihrer Anwesenheit in Auschwitz von April bis Juli 1944 in den Gaskammern ermordet worden. Als Funkerin habe sie den „reibungslosen Ablauf des fortgesetzten Vernichtungsgeschehens“ unterstützt, hieß es in der Anklage.

Ein anderes Auschwitz-Verfahren beginnt am kommenden Montag zum zweiten Mal. Vor dem Landgericht Neubrandenburg ist der ehemalige SS-Sanitäter Hubert Zafke (95) angeklagt; ihm wird die Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen, begangen im Jahr 1944, zur Last gelegt.

Im Frühjahr dieses Jahres war Zafke an keinem der Verhandlungstage vor Gericht erschienen und ließ dies mit seinem angeschlagenen Gesundheitszustand begründen. Weil aber ein Angeklagter vor gericht erscheinen muss, wird der Prozess neu begonnen. Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, kritisierte in dieser Woche das Gericht und sprach von einer „Mischung aus juristischer Arroganz und demonstrativem Desinteresse“.

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