Rehabilitierung homosexueller Männer: Akten sind weg, Aufarbeitung dauert

Die Linkspartei kritisiert die schleppende Rehabilitierung verurteilter Schwuler. Der Paragraf 175 wurde schon 1994 abgeschafft.

Eine Regenbogenfahne hängt neben einer Matrosenfigur

Selbst 1994 wurden bundesweit noch 55 Männer verurteilt, 15 davon in Nordrhein-Westfalen Foto: dpa

BERLIN taz | Eigentlich ist die Aufarbeitung der Strafverfolgung homosexueller Männer in der Bundesrepublik beschlossene Sache. Aber eben nur eigentlich: Im Juli legte Bundesjustizminister Heiko Maas ein Eckpunktepapier vor, in dem es um die Rehabilitierung nach § 175 StGB verurteilter Schwuler geht. Konkret getan hat sich seitdem wenig, wie ein Blick auf die Landesebene zeigt.

Da ist zum Beispiel Nordrhein-Westfalen. Schon 2012 hatte der dortige Landtag die Rehabilitierung und Entschädigung der nach § 175 StGB verurteilten Männer beschlossen und 2014 gar eine Resolution mit dem Titel „Die strafrechtliche Verfolgung und Unterdrückung muss aufgearbeitet werden“ verabschiedet. Dass diese Aufarbeitung auf sich warten lässt, legt die Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei nahe.

Demnach gab es von 1953 bis 1994 allein in Nordrhein-Westfalen 13.276 Verurteilungen, bundesweit wurden 50.886 Personen wegen „Unzucht zwischen Männern“ verurteilt. Selbst 1994 – im Jahr der endgültigen Abschaffung des Paragrafen – wurden bundesweit noch 55 Männer verurteilt, 15 davon in Nordrhein-Westfalen.

Unbeantwortet bleibt die Frage, wie lange nach Abschaffung des Straftatbestands noch Männer inhaftiert blieben. „Aufgrund der gesetzlichen Löschungsfristen“ für die betreffenden Akten lägen „hierzu keine Daten mehr vor“, heißt es in der Antwort von Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD).

§ 175 StGB wurde wörtlich aus der NS-Gesetzgebung übernommen

§ 175 StGB wurde wörtlich aus der NS-Gesetzgebung in die Bundesrepublik übernommen, erst 1969 wurde er modifiziert und der einvernehmliche homosexuelle Kontakt zwischen Erwachsenen entkriminalisiert. Trotzdem konnte bis 1994 der Verkehr eines Mannes über 18 Jahren mit einem Mann unter 21 Jahren mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Die Linkspartei kritisiert nun, dass vier Jahre nach dem Landtagsbeschluss zur Aufarbeitung noch keine umfangreichen Daten vorliegen. Es sei denkbar, die Dauer der Haftstrafen über die Eingangs- und Ausgangsbücher der Justizvollzugsanstalten heraus­zubekommen. „Wenn Justizminister Kutschaty eine Aufarbeitung will, muss er die Anstaltsleitungen anweisen, entsprechende Nachforschungen anzustellen“, sagt Jasper Prigge, queerpolitischer Sprecher der NRW-Linken.

Die Landesregierung betont, die Rehabilitierung sei der Landesregierung ein „wichtiges Anliegen“, dem „mit verschiedenen Maßnahmen“ Rechnung getragen werde, vor allem durch Veranstaltungen und Bildungsprojekte. Ob weitere Maßnahmen nötig seien – zeige sich „erst nach Vorlage eines Gesetzentwurfs des Bundes“.

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