Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) über den Spagat zwischen Bürgernähe und Terrorabwehr: „Verlorene Zeit einholen“

Innensenator Mäurer (SPD) reformiert die Bremer Polizei. Bürgernähe und Terrorabwehr will er dabei unter einen Hut bringen. Zur Kostenfrage hält er sich bedeckt.

Nur ästhetisch gelungen: der Polizei-Einsatz am Bremer „Terror-Wochenende“. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

taz: Herr Mäurer, warum reformieren Sie die Polizei?

Ulrich Mäurer: Seit der letzten Reform vor über zehn Jahren hat sich die Situation sehr verändert. Terrorismus war in der heutigen Form damals noch kein derartig großes Problem. Wir haben heute das Phänomen des Salafismus und wir haben Deutsche, die in Syrien kämpfen. Das sind relativ neue Entwicklungen. Darauf müssen wir nun antworten.

Warum jetzt?

Ich hätte schon gerne ein Jahr früher damit angefangen, aber der Untersuchungsausschuss hat uns zunächst davon abgehalten. Wir werden die verlorene Zeit einholen und dieses Projekt zeitnah abschließen.

Was wird sich für die BürgerInnen ändern?

65, ist seit 2008 Bremens Innensenator. Zuvor war das SPD-Mitglied Staatsrat beim Senator für Justiz und Verfassung.

Die Polizei war bisher in sehr komplexen Strukturen organisiert, dies wird nun einfacher. Wer beispielsweise in Walle eine Anzeige aufgeben wollte, musste mitunter lange warten, obwohl 20 PolizistInnen um ihn herum ein- und ausgehen. Das liegt daran, dass es in Walle zwei Standorte gibt: den Bürgerservice und den Einsatzstandort. Für BürgerInnen ist es jedoch nicht erkennbar, dass das zwei unterschiedliche Bereiche sind.

Wie werden Einsatzbereiche konzentriert?

Bisher bestand die Polizei aus acht Direktionen. Zukünftig wird es nur drei große Säulen geben. Damit wollen wir effektiver werden und Reibungsverluste vermeiden.

Bis wann soll die Reform endgültig abgeschlossen sein?

Die Planungsphase muss bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Zum 15. August wurden die wesentlichen personellen Weichen gestellt. Die neuen Zuständigkeiten sind personell bereits abgesichert. Weiteres wird im laufenden Betrieb entwickelt.

An welchen Städten und Ländern haben Sie sich orientiert?

Wir haben uns die Lage in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Berlin angeschaut. Es gibt jedoch kein fertiges Modell, das wir einfach nur kopieren können. Bremen ist besonders. Die Idee der gemeinsamen Landespolizei mit Bremerhaven wurde abgelehnt, daher ist Bremerhaven von der Reform auch nicht betroffen.

Wie reagieren die Polizeigewerkschaften darauf?

Der Personalrat hat dem Projekt zugestimmt. Wir achten darauf, dass dieser sowie GewerkschaftsvertreterInnen den Prozess eng begleiten. Wir möchten, dass sie sich und ihre Vorschläge einbringen, um eine vernünftige Struktur für die Zukunft bekommen.

Wird es mehr Personal geben?

Die Zahl der PolizistInnen wird von 2.450 auf 2.600 erhöht. Die ersten werden jedoch erst in drei Jahren da sein, sie müssen ja schließlich erst ausgebildet werden. Solche Dinge brauchen Zeit. Angestellte im IT-Bereich müssen nicht zwangsweise PolizeibeamtInnen sein, sondern können auch qualifizierte SeiteneinsteigerInnen sein.

Kostet die Reform Geld?

Das wird sich noch zeigen.

Welchen Stellenwert besitzt Bürgernähe?

Das ist für uns sehr wichtig. Wir hatten 100 KontaktpolizistInnen im Einsatz. Im Jahr 2018/19 werden es wieder genauso viele sein. Diese Zahl ist gesetzt. Die Kontaktbeamten dienen als AnsprechpartnerInnen für BürgerInnen vor Ort. Ich kann mir zudem vorstellen, dass wir dieses System ausweiten.

Wo steht die Bremer Polizei im bundesweiten Vergleich?

Sie ist stark belastet, die Herausforderungen sind groß. Bremen ist kein Dorf, sondern gehört zu den zehn größten Städten der Bundesrepublik. Daher gibt es viele Probleme, was Kriminalität angeht, Stichwort: Wohnungseinbrüche. Auch deswegen brauchen wir die Aufstockung.

Die Gewerkschaft der Polizei fordert eine bessere Abstimmung der Sicherheitsbehörden. Wird es die geben?

Wir sind da inzwischen schon sehr weit. Wir haben seit Jahren feste Prozesse in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Da sehe ich keinen Nachholbedarf. Wir haben aus vergangenen Fehlern gelernt und eine Kultur der Zusammenarbeit entwickelt.

In jüngerer Zeit wurde kritisiert, Bremen sei für Anschläge nicht gewappnet. Ist die Reform eine Reaktion darauf?

Diese Reform berücksichtigt die neuen Herausforderungen. Jetzt haben wir größere Einheiten mit Schutzwesten ausgestattet und mit Langwaffen. Außerdem werden wir demnächst ein gepanzertes Fahrzeug erhalten.

Die Opposition spricht von Aktionismus …

Wenn man sich über Monate überlegt, was man macht, ist das das Gegenteil von Aktionismus.

Polizeipräsident Lutz Müller wird zusätzlich Abteilungsleiter im Innenressort. Hat er genug Zeit für beide Positionen?

Wenn man die Dinge unverändert ließe, geht das natürlich nicht. Man kann nicht Polizeipräsident und Abteilungsleiter parallel sein. Er wird in seiner Funktion als Polizeipräsident entlastet. Die Leiter der drei Säulen Einsatz, Ermittlung und zentrale Dienste nehmen ihm einen Teil seiner Aufgaben ab. Früher war das getrennt, jetzt ist es in einer Hand.

Kontrolliert er sich jetzt selbst?

Selbstverständlich nicht. Über ihm steht die Behördenleitung.

Der Abschnitt „Interne Ermittlungen“ ist kein regulärer Teil der Polizei, sondern dem Senator für Inneres unterstellt. Bleibt es dabei?

Dafür war früher der Polizeipräsident persönlich zuständig. Für mich war das keine gute Lösung, weswegen ich ihm diese Zuständigkeit genommen habe. Damit er in seiner neuen Funktion im Innenressort nicht wieder dafür verantwortlich ist, sind interne Ermittlungen auch hier nicht in seinem Zuständigkeitsbereich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.