Türkei und Russland: Unverbrüchliche Freundschaft

Nach monatelanger Funkstille nähern sich beide Staaten wieder einander an. Das liegt an der Wirtschaft und vor allem an älteren Energieprojekten.

Putin in nachdenklicher Pose

Auf Annäherungskurs mit der Türkei: Russlands Präsident Wladimir Putin Foto: ap

MOSKAU taz | Mit Musik, Champagner und Blumen empfing Antalya am Wochenende die ersten russischen Touristen dieses Sommers. Gleichzeitig war es auch der erste Flug der Rossiya Airlines, der Antalya von Moskau aus diese Saison ansteuerte. Sonnenhungrige russische Touristen kehrten zurück an ihren beliebtesten Badeort am Mittelmeer. 189 an der Zahl.

Voller Vorfreude reagierten auch türkische Unternehmer, die das propagandistische russische TV Wochenmagazin „Nowosti nedelii“ befragte. Mit der Rückkehr der Nachbarn hätten sie wieder eine Chance, der wirtschaftlichen Krise daheim zu entkommen, so der Tenor. Mit den Touristen kehrt nunmehr auch Russland als Retter zurück.

Moskau hatte nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im türkischen Luftraum im November gegen Ankara Sanktionen verhängt. Dem Abschuss waren zahlreiche Warnungen vorausgegangen. Russische Flieger verletzten zuvor dutzende Male den Luftraum. Kremlchef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machten aus dem Vorfall eine persönliche Fehde. Russische Reisebüros durften danach weder Touren noch Charterflüge in die Türkei anbieten.

Das russische Fernsehen stilisierte Erdogan zum Inbegriff des Satans – bis Ende Juni. Da trudelte im Kreml ein Entschuldigungsschreiben des Sultans ein. Putin reagierte umgehend. Er hätte beschlossen, die Beziehungen zur Türkei wieder zu normalisieren. „Ich würde gerne mit dem Tourismus anfangen…“

Politiker wie ausgewechselt

Vor acht Monaten klang es noch alttestamentarisch, Versöhnung schien ausgeschlossen: „Wir wissen, dass die Türkei ihre Taschen vollstopft und Terroristen erlaubt, durch den Verkauf von in Syrien gestohlenem Öl Geld zu verdienen“ sagte Putin wutschnaubend vor der Duma. Plötzlich sind die russischen Politiker wie ausgewechselt. Regierungschef Dmitri Medwedjew bietet den Türken Gespräche an, die „sie für richtig halten“. Ende Juli sollen die ersten Konsultationen bereits stattfinden.

„Sind die Sponsoren des Terrorismus, wie es uns in den letzten Monaten in den Kopf gehämmert wurde, nun wieder unsere besten Freunde?“ fragt User Oleg in den Sozialen Medien und klagt: 86 Prozent der Bevölkerung hätten das Türkeiverbot damals unwidersprochen hingenommen.

Beobachter fragen: Ist die Bevölkerung tatsächlich auf Knopfdruck manipulierbar oder drückt sich darin nicht das Gefühl genereller Machtlosigkeit aus? Die antitürkische Resonanz im Spätherbst war heftig. Sie machte auch vor türkischen Studenten keinen Halt, die des Landes verwiesen wurden.

Zurzeit stehen Türken wie der Bürgermeister von Kemer wieder höher im Kurs. Er versprach, dem getöteten russischen Piloten Oleg Peschkow ein Denkmal zu setzen. Zum Fotografieren und Gedenken, damit russische Besucher ihn in lebendiger Erinnerung behalten könnten, sagte er dem russischen Fernsehen.

Nachfrage gestiegen

Die Nachfrage nach Türkeitouren ist erheblich gestiegen. In den ersten Tagen erkundigten sich fast 40 Prozent der Kunden nach Türkeiangeboten. Nur zehn Prozent buchten am Ende aber auch einen Urlaub. Denn bislang gibt es keine günstigen Charterreisen. Es steht auch noch eine Genehmigung der russischen Regierung aus, die von Ankara zusätzliche Sicherheitsgarantien verlangt. Darunter etwa die Versicherung, keine Flüge in Regionen mit erhöhter Terrorgefahr vorzunehmen.

In der nächsten Woche soll der reguläre Verkehr starten. Dennoch erwarten Veranstalter, dass 2016 nur 600000 Russen die Türkei besuchen werden. 2015 waren das vier Millionen. Gleichwohl sanken durch die Rückkehr der Türkei als Reiseziel die Preise für die anderen Urlaubsziele in Zypern, Spanien, Griechenland oder Tunesien teilweise bis zu 30 Prozent.

Der Urlaub ist jedoch nur ein Nebeneffekt der Annäherung. Wirtschaftliche Beweggründe können die Versöhnung nicht gänzlich erklären. Beide Länder leiden an zunehmender Isolation. Moskau ist versucht, das angeschlagene Verhältnis der Türkei zum Westen für sich zu nutzen. Erste Signale sandte der Kreml schon im Mai aus. Russland war über Forderungen einiger Nato-Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres irritiert, die das Verteidigungsbündnis zu mehr Aktivitäten in dieser Region aufforderten.

Wichtig für Moskau dürften nach wie vor die älteren Energieprojekte sein. Der Türkei kommt darin eine Schlüsselstellung zu. Darunter das Pipeline-Projekt Turkish Stream, das die Ukraine als Transitland umgehen und Konkurrenten vom Kaspischen Meer ausstechen möchte. Das Vorhaben macht jedoch nur Sinn, wenn sich Europa bereit zeigt, das Gas auch abzunehmen. Vertreter des russischen Energiegiganten Gazprom ließen durchblicken, dass die Türen Gazproms für die Türkei nie verschlossen seien.

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