Kinder an Waffen: Interne Ermittlungen der Bundeswehr

Beim „Tag der Bundeswehr“ durften Kinder mit ungeladenen Waffen spielen. Jetzt ermittelt die Armee im eigenen Haus.

An einem Infostand hält ein Junge vor den Augen eines Soldaten ein Sturmgewehr

Früh übt sich? Foto: Friedensgesellschaft

BERLIN taz | Schon vor dem „Tag der Bundeswehr“ am Samstag, hatte die Armee mit einem „Mitmach-Programm“ geworben und versprochen, dass „vor allem die Kleinsten unter uns in Punkto Spaß auf ihre Kosten kommen werden.“ Wie wörtlich man diese Versprechen genommen hat, belegen Fotos der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegdienstgegnerInnen (DFG-VK) aus der Bundeswehr-Kaserne in Stetten am kalten Markt (Baden-Württemberg).

Darauf sind Kinder zu sehen, die unter Aufsicht von Soldaten mit verschiedenen Handfeuerwaffen hantieren. Ein Verstoß gegen bindende Regeln des Verteidigungsministeriums von 2011. Danach muss Minderjährigen der Zugang zu Waffen und Munition verwehrt werden.

„Es ist erschreckend, dass die Bundeswehr zur Nachwuchswerbung selbst die eigenen Richtlinien außer Acht lässt“, sagt der stellvertretende politische Geschäftsführer der Friedensgesellschaft, Michael Schulze von Glaser. Ein pazifistisches Bündnis hatte am Samstag an 10 der 16 Präsentationsstandorte der Bundeswehr demonstriert.

Am Rande hätten sich Aktivisten ein Bild von den Veranstaltungen gemacht und dabei diese Bilder aufgenommen, so Schulze von Glaser. Auf den Fotos halten Kinder das pannengeplagte „G36“-Gewehr, eine „P8“-Pistole und hantieren an einer Maschinenpistole vom Typ „MP7“ – alles Waffen des Herstellers „Heckler & Koch“.

Gezielte Anwerbung

Ein Sprecher der Bundeswehr bestätigte die Authentizität der Bilder: „Es verdichten sich zur Zeit die Anhaltspunkte, dass am Tag der Bundeswehr in Stetten bei einem Stand zur statischen Waffenschau auch Kinder Zugang zu ungeladenen Handwaffen hatten.“ Sollte sich das bewahrheiten, sei dies ein „eindeutiger Verstoß gegen bestehende Vorschriften der Bundeswehr“, so der Sprecher. Er teilte mit, dass man deshalb interne Ermittlungen eingeleitet habe.

Inzwischen hat auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Stellung zu den Vorgängen in der Stettener Kaserne genommen: „Der Tag der Bundeswehr mit mehr als einer Viertelmillion Besuchern und 10.000 beteiligten Soldaten und zivilen Beschäftigten ist ein Erfolg. In einem Zelt am Standort Stetten ist trotz klarer Vorschriften ein bedauerlicher Fehler passiert. Um so etwas für die Zukunft von vornherein auszuschließen, habe ich entschieden, dass auf künftigen Tagen der Bundeswehr keine Handwaffen zum Anfassen mehr präsentiert werden.“

Michael Schulze von Glaser ist das nicht genug. Er kritisiert, dass die Bundeswehr gezielt junge Menschen anwerbe. „Waffen sind kein Spielzeug. Trotzdem wirbt man seit Jahren gerade bei Menschen, die das noch nicht reflektieren können.“ Wenn man schon werbe, dürfe man nicht gezielt Kinder ansprechen und müsse fair auf die Risiken des Dienstes hinweisen. Wie seine Kollegen vom Kinderhilfswerk „terre des hommes“ fordert er außerdem von der Bundeswehr, dass man keine Minderjährigen mehr aufnehme. Die Bundeswehr sei eine der wenigen Armeen weltweit, die dies täte.

Gegen diese Kritik wehrt sich der Sprecher der Bundeswehr jedoch. Man wolle damit Offenheit und Chancengleichheit garantieren. „Viele Jugendliche verlassen die Schule mit 17 Jahren. Die wollen dann kein Jahr warten – das wäre ja Vergeudung“, sagt er. Nach seiner Auskunft, hatte die Bundeswehr zum 31. Januar 2016 1376 minderjährige Menschen bei sich aufgenommen. 644 davon als Soldaten, die im Rahmen ihrer Grundausbildung auch an der Waffe ausgebildet werden.

Für Michael Schulze von Glaser ist das ein Resultat struktureller Anwerbung junger Menschen – auch mittels Waffenschau. Er verweist auf ein Foto, welches Pazifisten auf dem ersten „Tag der Bundeswehr“ im letzten Jahr in der Kaserne in Laupheim aufgenommen haben wollen. Auch darauf ist ein Junge zu sehen, der unter den Augen von zahlreichen Jugendlichen und zwei Soldaten ein Maschinengewehr hält. Dem Bundeswehrsprecher war dieser Vorfall bis Montag Abend nicht bekannt.

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