Hamburger Härtfallkommission: AfD wohl weiter außen vor

AfD-Abgeordnete haben es nicht in die Hamburger Härtefallkommission geschafft. Sie klagten, nun droht eine erneute Niederlage vor dem Verfassungsgericht.

Kein Kreuzchen für die AfD: Die anderen Hamburger Parteien wollen sie nicht Foto: Lukas Schulze/dpa

HAMBURG taz | Die Alternative für Deutschland (AfD) wird von den anderen Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft nicht unterdrückt. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit das Hamburgische Verfassungsgericht bei der Urteilsverkündung am 19. Juli feststellen. Bei der mündlichen Verhandlung über eine Verfassungsklage der AfD gegen die Bürgerschaft betonte Gerichtspräsident Friedrich-Joachim Mehmel am Mittwoch mehrfach den „richterlichen Hinweis“, dass das Anliegen der AfD unzulässig sein könnte. Solche Hinweise gelten als Präjudiz für das Urteil.

Die AfD-Fraktion hatte im November 2015 Verfassungsklage gegen das Hamburger Parlament eingereicht, weil sie sich in ihren parlamentarischen Rechten beschnitten sieht. In elf Wahlgängen zur Härtefallkommission waren mehrere ihrer Kandidaten gescheitert. Dieses Gremium lässt im Einzelfall Gnade vor Asylrecht ergehen: Es befindet über die Anerkennung von ausreisepflichtigen Ausländern als Härtefall, der Senat folgt der Entscheidung der Kommission in der Regel.

Die Kandidaten der AfD, zumeist der ehemalige Innensenator und Schillpartei-Politiker Dirk Nockemann, fielen jedoch bei der Bestätigung im Parlament in geheimer Abstimmung gnadenlos durch.

Hinter vorgehaltener Hand gaben manche Abgeordnete zu, dass sie keine AfD-Hardliner in diesem sensiblen Gremium haben wollen. Offiziell gibt es dazu keine Äußerungen, weil die Abstimmungen in geheimer Wahl Gewissensentscheidungen jedes Abgeordneten sind. Und so prallen zwei Verfassungsgüter aufeinander: das Partizipationsrecht einer Fraktion und das Recht auf freie Entscheidung eines Volksvertreters.

Die Härtefallkommission ist die letzte Chance für Menschen, deren Asylgesuch bereits abgelehnt wurde. Das Gremium kann die Abschiebung aus humanitären Gründen verhindern.

Jede Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft darf ein Mitglied in die Kommission entsenden. Die Bürgerschaft bestätigt die Mitgliedschaft in einer Wahl – oder eben nicht.

Nur ein AfDler hat es bisher in die Kommision geschafft: Joachim Körner ist zum stellvertretenden Mitglied gewählt worden. Ob das geht, wenn es keinen Hauptvertreter gibt, ist unklar.

Laut einem aktuellen Bericht der Innenbehörde hat die Härtefallkommission im vorigen Jahr 25 Fälle mit 52 betroffenen Menschen behandelt, in 14 Fällen hat die Kommission die Abschiebung verhindert. Ein Fall wird noch bearbeitet.

Die AfD sprach von einer „verfassungswidrigen Ausgrenzung gewählter Parlamentarier“ und reichte Klage ein. Das Verhalten der anderen Fraktionen – SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke – verletze das Recht der AfD-Abgeordneten auf gleichberechtigtes Mitwirken im Parlament und seinen Gremien, argumentiert deren Prozessvertreter Dietrich Murswiek. Die Abgeordneten müssten eigentlich die von den Fraktionen benannten Vertreter bestätigen.

Alle Ausschüsse werden nach dem Grundsatz der „Spiegelbildlichkeit“ besetzt, um die Kräfteverhältnisse im Plenum auf jedes Gremium zu übertragen, sagt Murswiek. Deshalb müssten auch in der Härtefallkommission „zwingend Vertreter aller Fraktionen sitzen; das Vorschlagsrecht der Fraktionen ist grundsätzlich zu achten“.

Eben diesen letzten Punkt scheint Hamburgs oberstes Gericht wohl anders zu sehen. Gerichtspräsident Mehmel stellte jedenfalls gestern in Zweifel, dass die Härtefallkommission überhaupt ein Ausschuss der Bürgerschaft ist. Das Landesparlament richte dieses Gremium zwar ein, rechtliche Grundlage sei aber womöglich nicht die Hamburgische Verfassung, sondern das Aufenthaltsgesetz des Bundes.

Das sieht vor, dass Landesregierungen eine Härtefallkommission einrichten können. Somit könnte es sich nicht um einen Parlamentsausschuss handeln, „sondern um ein Gremium nach Bundesrecht ohne eigene Verfassungsunmittelbarkeit“. Und schon wäre, so die juristische Auslegung, das Verfassungsgericht nicht zuständig und die Klage unzulässig. Inhaltlich müsste sie dann gar nicht weiter geprüft werden.

Das Gericht ließ erkennen, dass es – selbst bei gegebener Zuständigkeit und Zulässigkeit – der Klage inhaltlich kaum folgen werde. Die „konstituierende Berufung“ des Gremiums erfolge durch den Senat, der die vom Parlament vorgeschlagenen Mitglieder ernenne. Zudem könne die Innenbehörde den Empfehlungen der Härtefallkommission folgen und tue dies in der Regel, müsse das aber nicht. Das lege die Interpretation nahe, so Mehmel, dass es sich bei der Härtefallkommission „gar nicht um ein parlamentarisches Gremium handelt“.

Der Rechtsvertreter der Bürgerschaft, Ronald Steiling, sagte nach der Verhandlung: „Der Hinweis des Gerichts war schon sehr deutlich.“ Auch Murswiek räumte ein: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Verfassungsgericht den Antrag als unzulässig zurückweist.“

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