Linkspartei

Auf dem Parteitag in Magdeburg dominierte inhaltlich ein Tortenwurf. Ansonsten wurde vor allem Selbstvergewisserung betrieben

Kleine Kulturgeschichte der Tortung

Lecker Asozial nannte die Linkspartei die Aktion gegen Wagenknecht. Dabei dürfte ihr die Protestform nicht unbekannt sein. Schon die 68er „torteten“

BERLIN taz | Diesmal also war es eine Schokotorte. Viel Sahne, viel Braunes. Am Samstag klatschte sie ein Antifa-Aktivist der Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in Magdeburg mitten ins Gesicht. „Torten für Menschenfeinde“, hieß es in seinem Bekennerschreiben. In der Flüchtlingspolitik bediene Wagenknecht mit ihren Hinweisen auf „Kapazitätsgrenzen“ den „Volkszorn“, der AfD liefere sie „ideologische Munition“.

Der Tortenwurf geriet zum größten Politikum auf dem Linken-Parteitag. Dabei dürfte die Protestform der bewegungsaffinen Partei nicht unbekannt sein. Schon die 68er „torteten“. Und erst im Frühjahr erwischte es die AfD-Bundesvize Beatrix von Storch (Sahnetorte, wegen Forderung nach Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge). In den Vorjahren traf es zudem Exverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Sahnetorte, wegen Plagiatsaffäre), den Grünen Jürgen Trittin (Joghurttorte, wegen zu lascher Anti-AKW-Politik) oder Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (Himbeer-Sahne, wegen Blockierung eines ­NSU-Ausschusses).

Vor allem nach der Attacke auf von Storch hatte die Torte einen Popularitätsgewinn in der linken Szene. In Berlin brachten Demonstranten auf eine Anti-AfD-Demo jüngst ein selbst gebautes Tortenkatapult – das umgehend von der Polizei beschlagnahmt wurde.

Die Linke reagiert mit Entrüstung. Von einer „asozialen“ Aktion sprach Linken-Frak­tionschef Dietmar Bartsch, Parteichefin Katja Kipping nannte sie einen „Angriff auf uns alle“. Sachsens Grünen-Chef Jürgen Kasek sagte dagegen, der Aufschrei zeige, dass der Tortenwerfer „ins Schwarze getroffen“ habe. Die Linkstrotzkisten „Klasse gegen Klasse“ jubelten: „Endlich.“ Rühre Wagenknecht doch „kräftig die Trommeln für Abschiebungen“.

Der Tortenwerfer selbst kommt offenbar aus der anderen Ecke der Linken: der antideutschen. Ein 23-Jähriger, seit Jahren in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) in Anti-Nazi-Bündnissen aktiv. Akkreditiert hatte er sich für den Parteitag über das Berliner Zeitungsprojekt „Straßen aus Zucker“, das aus dem antideutschen Spektrum stammt. Die reagierten nur lakonisch: „Wir waren’s nicht.“ Man habe an dem Wochenende die nächste Ausgabe geplant oder am See gesessen. Allerdings: Die „Aufregung um eine leckere Schokotorte“ könne man „nicht ganz nachvollziehen“.

Gegen den Werfer ermittelt nun die Polizei von Amts wegen wegen versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung. Wagenknecht und die Parteispitze ließen offen, ob sie Anzeige erstatten werden. Es könnte teuer werden: Der Werfer der Torte auf Baden-Württembergs Exinnenminister Gall etwa musste 1.000 Euro Geldstrafe zahlen. Dazu kamen 1.300 Euro Schmerzensgeld für Galls Personenschützer, der sich beim Einschreiten verletzt hatte. Dennoch: Spätere Tortenwerfer hat auch das nicht abgehalten.

Konrad Litschko