Kommentar Investitionsschutz in Europa: Dreistes Manöver der Regierung

Deutschland setzt sich für Sonderrechte von Investoren aus den EU-Staaten ein – obwohl man so etwas offiziell für völlig überflüssig hält.

Sigmar Gabriel inmitten von TTIP-Gegnern auf einer Veranstaltung in Fellbach

Setzt sich immer noch für Sonderrechte von Investoren ein: Sigmar Gabriel inmitten von TTIP-Gegnern Foto: dpa

Damit hat niemand gerechnet: Die Bundesregierung und vier andere EU-Regierungen wollen, dass europäische Investoren in anderen EU-Staaten einen besonderen Investitionsschutz erhalten. Das wurde jetzt von Aktivisten enthüllt.

Überraschend ist die Initiative der Bundesregierung deshalb, weil sie immer betont hat, dass in demokratischen Rechtsstaaten Sonderrechte für Investoren eigentlich überflüssig seien. Über Investitionsschutz beim geplanten TTIP-Abkommen mit den USA werde nur deshalb verhandelt, weil die EU-Kommission und andere EU-Staaten Wert auf diesen Investitionsschutz legen.

Hat sich diese Haltung inzwischen geändert? Offiziell nicht. Auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es immer noch: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA sowie mit anderen Ländern mit belastbarer Rechtsordnung nicht erforderlich sind, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren.“

Ist die Rechtsordnung der anderen EU-Staaten also weniger belastbar als die der USA? Das wird die Bundesregierung wohl kaum behaupten wollen. Wahrscheinlicher ist: Die Bundesregierung macht sich intern für eine Position stark, die der eigenen offiziellen Verlautbarung diametral widerspricht. Und was bisher nur für kanadische und US-Unternehmen diskutiert wurde, soll nun sogar auf Unternehmen aus allen EU-Staaten ausgeweitet werden. Kaum notwendig zu sagen, dass das für die Bundesregierung ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem erzeugt.

Besonderes peinlich dürfte das aber für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sein. Er ist immerhin in Deutschland für das Thema zuständig und steht als TTIP-Befürworter unter massivem Druck der TTIP-kritischen SPD-Basis. Nun bedient er mal wieder alle Klischees, dass er sprunghaft und unzuverlässig sei.

Aber auch TTIP-Befürworter werden sich an den Kopf fassen. Wie kann man in einer Situation, in der die Stimmung gegen TTIP längst gekippt ist, heimlich eine Ausweitung der Sonderrechte für Investoren auf ganz Europa vorantreiben? So wenig politisches Gespür hätten ihm wohl nicht einmal seine Gegner unterstellt.

Über den Vorschlag selbst muss man wohl nicht mehr viel diskutieren. Bei der derzeitigen Stimmungslage wird wohl eher Sigmar Gabriel Kanzler, als dass er sich mit diesem Vorschlag in Europa durchsetzen kann.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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