Kommentar Nato und Montenegro: Die bloße Mitgliedschaft reicht nicht

Montenegro hat gute Aussichten auf einen Beitritt zum Bündnis. Doch Moskau protestiert und auch die Hälfte der Bevölkerung will nicht.

Viele Männer und eine Frau.

Beim Treffen in Brüssel: Montenegros Premier Milo Djukanovic neben Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Foto: dpa

Dass jeder Staat der Welt über seine Außen- und Bündnispolitik frei entscheiden kann, ist eine wichtige Grundlage der internationalen Politik. Trotzdem ist diese Freiheit oftmals beschränkt. Montenegro hat dennoch, nach langen Verhandlungen und mit der Entscheidung vom Donnerstag, gute Aussichten, in die Nato aufgenommen zu werden.

Ganz so glatt wie von der Nato erhofft scheint der Beitritt Montenegros allerdings doch nicht über die Bühne zu gehen. Nicht nur die Proteste Moskaus können den Nato-Beitritt des gerade einmal 600.000 Einwohner zählenden Landes gefährden. Es sind vor allem innenpolitische Widerstände, die Präsident Milo Djukanovic zu schaffen machen. Denn die Hälfte seiner Bevölkerung will gar nicht in die Nato. So zeigen es kürzlich durchgeführte Umfragen.

Das Land ist tief gespalten: Eine knappe Mehrheit in Montenegro hat sich schon in den 90er-Jahren der serbischen Kriegspolitik widersetzt. Die meisten Serben schmerzt immer noch, dass das Brudervolk Montenegro sich 2006 mit knapp über 50 Prozent der Stimmen für unabhängig von Serbien erklärt hat. Doch die mit Serbien verbundenen Anhänger der serbisch-orthodoxen Kirche und die Mitglieder der serbenfreundlichen Sozialistischen Partei geben nicht auf. Sie fordern vehement eine Volksabstimmung über den Nato-Beitritt. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würden Serbien und Russland alles in Bewegung setzen, um die Pro-Nato-Politik der montenegrinischen Führung zu kippen.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die russische Politik daran interessiert, den Militärhafen in der Bucht von Kotor unter ihre Kontrolle zu bekommen. Das kleine Montenegro hat für Russland eine militärische und eine psychologisch-historische Bedeutung. Tausende von Russen leben im Land, Russen haben Teile der Küste aufgekauft, der russische Tourismus ist ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor. Wenn Russland nun mit wirtschaftlichen Konsequenzen droht, dann hat das durchaus Gewicht.

Dennoch lässt sich die Führung des Landes bisher nicht beirren. Die Nato wird dem Land aber mehr als nur die Mitgliedschaft bieten müssen, um die Mehrheit der Bevölkerung bei der Stange zu halten. Wenn das Tor zum Mittelmeer für Russland verschlossen bleiben soll, muss man Montenegro auch wirtschaftliche Perspektiven bieten.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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