Filmdoku über Peggy Guggenheim: Sie sammelte Männer und Kunst

Peggy Guggenheim schuf eine der wichtigsten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts. Eine Filmdoku Lisa Vreelands zeigt, wie sie das machte

Peggy Guggenheim betrachtet ein Gemälde, das sie in beiden Händen hält

Sammlerin Peggy Guggenheim mit einem Gemälde ihrer Tochter Foto: Roloff Beny/Courtesy of National Archives of Canada

Was für ein Glück hatte Peggy Guggenheim (1898 bis 1979), just in diese Zeit hineingeboren zu sein, in der sie lebte! Berühmt ist sie ja, weil sie von 1940 bis 1947 eine der bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst der ersten Hälfte des20. Jahrhunderts zusammengetragen hat. Wozu sie, wie Lisa Immordino Vreeland in ihrem Film über die Sammlerin, Mäzenin und Galeristin in dankenswerter Deutlichkeit zeigt, zwei Eigenschaften befähigten, die die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte bei einer Frau als unmöglich galten: ihr unersättlicher sexueller Appetit und ihre große Lust am Arbeiten.

Was also wäre Peggy Guggenheim übrig geblieben, wäre sie nur 50 Jahre früher geboren worden? Sie hätte sich nur umbringen können.

Es ist nun nicht so, als ob sich die Leute an ihrem Lebensstil nicht gestoßen hätten. Doch das musste sie nicht stören; dank eines überschaubaren Erbes, das ihr Vater (der 1912 mit der „Titanic“ unterging) ihr hinterlassen hatte, war sie unabhängig. Ihren Vater hatte sie sehr geliebt. Von ihrer Biografin Jacqueline Bograd Weld zur Mutter befragt, antwortete sie: „Es gab damals keine guten Mütter.“ Es sind denn auch diese Interviews, die Jacqueline Weld 1978/79, also kurz vor ihrem Tod, mit der Sammlerin führte, die Vreelands Film lohnend machen.

Guggenheim spricht selbst

„Peggy Guggenheim. Ein Leben für die Kunst“. Regie: Lisa Immordino Vreeland. USA 2014, 96 Min.

Dank dieser unbekannten, weil verloren geglaubten Gespräche ist es Peggy Guggenheim selbst, die Auskunft über ihr Leben gibt. Dazu kommen Leute aus dem Kunstbetrieb zu Wort wie der Picasso-Biograf John Richards, Lisa Philipps vom New Museum in New York oder auch der Schauspieler Robert de Niro, dessen Eltern (Robert de Niro Sr. und Virginia Admiral) je in Guggenheims New Yorker Galerie Art of This Century ausstellten. Das historische Foto- und Filmmaterial setzt Vreeland in einen gelungenen Dialog mit dem Gesagten.

Als Peggy Guggenheim 22-jährig eine Ausbildung im New Yorker Buchladen „Sunwise Turn“ begann, nahm dort ihre lebenslange Faszination für Künstler und Intellektuelle ihren Ausgang. Bald zog sie nach Paris, wo sie heiratete, zwei Kinder bekam, sich scheiden ließ und fortan zunächst Männer und dann eine Zeit lang auch Kunst sammelte.

Sie hatte Affären mit Samuel Beckett, Yves Tanguy oder Marcel Duchamp, der sie beriet („Ich befolgte alles, was er sagte, schlau, nicht?“), als sie 1938 in London ihre erste Galerie, die Guggenheim Jeune, eröffnete. Hier machte sie die Londoner mit zeitgenössischen Künstlern wie Jean Cocteau oder Wladimir Kandinsky bekannt. Lucian Freud stellte hier zum ersten Mal aus, in einer Schau mit Kinderzeichnungen.

Eine gewisse Tragik

Dem Plan, die Londoner Galerie in ein Pariser Museum umzuwandeln, kam der Zweite Weltkrieg in die Quere. Ihr Ehrgeiz war es nun, jeden Tag ein Kunstwerk zu kaufen, was damals eine ausgesprochen günstige Angelegenheit war, da viele Künstler verkaufen und aus Europa herauskommen wollten. 1941 verließ auch sie gemeinsam mit Max Ernst Frankreich, wobei es ihr gelang, ihre Sammlung von 650 Arbeiten unbeschädigt nach New York zu transferieren.

Dort eröffnete sie 1942 ihre „Art of This Century Gallery“ und begann, sich für die amerikanische Kunst und deren Protagonisten wie Jackson Pollock, Clifford Still oder Robert Motherwell zu interessieren.

1947 lässt sie sich in Venedig nieder, wo sie den 1949 den Palazzo Venier dei Leoni erwirbt, in dem noch heute ihre Peggy Guggenheim Collection zu Hause ist, eines der meistbesuchten Museen Venedigs. Den Erhalt ihrer Sammlung betrachtete sie zuletzt als ihre große Aufgabe, wofür sie auch bereit war, sie 1969 der Solomon R. Guggenheim Foundation ihres Onkels zu übertragen. Beide verband eine herzliche Abneigung.

Hier wie in der Frage gescheiterter Ehen, früh verstorbener großer Lieben und Schuld gegenüber vernachlässigten Kindern versucht der Film immer wieder eine Tragik der Peggy Guggenheim fühlbar zumachen. Doch indem sie keine Scheu vor dem Sex noch vor der Arbeit hatte, hatte sie auch schon alles, was es braucht, um ein interessantes und damit ein leidlich glückliches und in ihrem Fall dazu erfolgreiches Leben zu leben.

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