Mainzer Ampel-Koalition:Jedes Windrad zählt

RHEINLAND-PFALZ Grüne und Liberale stimmen deutlich für ein Dreierbündnis mit der SPD

Der FDP wurde ein Bekenntnis zur Energiewende abgetrotzt

FRANKFURT/M. taz | Ach, waren das noch Zeiten, als die Liberalen die Grünen noch als Kröten rettende, spaßbefreite Verbieterpartei darstellen konnten. Und die Grünen ihrerseits die FDP aus sicherer Distanz als Anzug tragende Spießer und gewissenlose Umweltzerstörer betitelten. Nun machen beide Parteien in Mainz den Weg frei für die erste gemeinsame Ampel-Landesregierung in einem Flächenbundesland.

Ein Sonderparteitag der FDP und eine Urabstimmung der grünen Basis in Rheinland-Pfalz endeten jeweils mit deutlicher Mehrheit für das Bündnis. Bei den Grünen votierten 87 Prozent für den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Auch von den 198 Delegierten der Liberalen stimmten 82,2 Prozent für die Ampel. Das letzte nötige Ja vor der Regierungsbildung wird der SPD-Landesparteirat am Mittwoch geben. Dessen Zustimmung ist sicher. Denn die Ampel ist nicht zuletzt auch ein Wunschprojekt der Sozialdemokraten.

„87 Prozent sind ein sehr starkes Ergebnis“, sagte die Landesvorsitzende der Ökopartei, Katharina Binz, nach Auszählung der Urwahl. 57 Prozent der rund 3.000 Parteimitglieder hatten sich beteiligt. Von der Eindeutigkeit des Ergebnisses zeigte sich Binz überrascht.

Denn nicht alle Grünen waren anfangs von der Idee begeistert, als kleinster Partner in ein Dreierbündnis zu gehen. Sie hatten mit 5,3 Prozent nur knapp den Wiedereinzug geschafft. Wie viele Kröten müsste man in einer solchen Konstellation schlucken? Und würde die FDP nicht genüsslich gegen die Ökos agitieren?

Der Vertrag ist für die Mitglieder grün genug ausgefallen, allen Unkenrufen zum Trotz. Nicht zuletzt der Fakt, dass die Partei zwei Ministerien behält und den Liberalen ein Bekenntnis zur Energiewende mitsamt fortlaufendem Ausbau der Windkraft abgetrotzt hat, wird viele versöhnlich gestimmt haben. Mal mehr, mal weniger offen wurde sich sogar über die Koalition mit der FDP gefreut. Gerade in puncto Bürgerrechte habe man nun sogar einen Verbündeten.

Etwas komplizierter sah es bei der FDP aus. Auf dem Sonderparteitag war die Abneigung gegen die Grünen an einigen Stellen noch deutlich spürbar. „Der Faktor Grün macht vieles zunichte“, meinte Alexander Buda aus Neuwied. Eine sozialliberale Koalition sei vielleicht noch denkbar, sagte er. „Aber eine Ampel ist keine sozialliberale Koalition.“ An anderer Stelle wurde über die „Ökolobby“ geschimpft und betrauert, dass nun weiter Windräder gebaut werden, auch wenn sich die Anzahl nun merklich verringern wird.

Der FDP-Landesvorsitzende Volker Wissing appellierte hingegen an seine Partei, der Koalition zuzustimmen: „Es wird in der Regierung eine deutlich liberale Handschrift sichtbar sein“, sagte er den Ampel-Kritikern und rief dazu auf, altes Lagerdenken zu hinterfragen. „Die CDU sagt, sie sei für jedes Bündnis offen außer mit AfD und Linkspartei. Sie praktiziert das auch in Baden Württemberg und in Sachsen-Anhalt“, so Wissing. Auch die Liberalen müssten nun neu überlegen, wo sie stünden.

Am Ende einer Debatte stimmte eine große Mehrheit für das Vertragswerk. Mit über 80 Prozent sogar deutlich mehr, als viele Befürworter der Koalition, inklusive Landesvorsitzende Volker Wissing, erwartet hatten. Der hatte auf mindestens 70 Prozent getippt.

Alina Leimbach