Als unsere Nachbarin im Bad stand

Privatsphäre Die ehemalige Vermieterin ging mit ihrem Generalschlüssel unangekündigt in unsere Wohnung, weil sie sich an der Toilettenspülung störte. Erlaubt ist so ein Verhalten nicht

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf der Toilette und plötzlich steht Ihnen eine fremde Frau gegenüber. Genau das ist meinem Freund Jo Z. passiert. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt schon im Büro. Meine drei Mitbewohner waren ebenfalls ausgeflogen.

Die ehemalige Vermieterin des Hauses, das mittlerweile durch eine Immobilienfirma vermietet wird, wohnt in der Wohnung über mir. Ich nenne sie mal Frau Dorsch. Frau Dorsch meinte, die ständig laufende ­Toilettenspülung meines Bades gehört zu haben. Sie rief mich an, um mir das mitzuteilen. Was sie mir in der Mailbox-Nachricht nicht mitteilte, war, dass sie vorhatte, deswegen mit dem Generalschlüssel in unsere Wohnung einzudringen.

Ich fragte meinen Freund per SMS, ob er die Spülung angelassen habe. Er verneinte und berichtete, dass Frau Dorsch auf einmal im Bad gestanden hätte. Statt sich zu entschuldigen, habe sie auf ihn eingeredet, doch die Spülung nicht laufen zu lassen. Während er auf der Toilette saß. Ich hielt das Ganze für einen schlechten Scherz.

War es aber nicht. Also rief ich Christian Beducker, Hamburger Anwalt für Mietrecht an. Seine Erklärung des Prinzips der Vermietung: „Kohle gegen Gebrauch.“ Damit ein Vermieter unangekündigt in die Wohnung gehen darf, müsste schon Feuerrauch aufsteigen oder Wasser in den Flur laufen. Außerdem dürfe der Vermieter keinen Schlüssel haben. „Fragen Sie sie doch mal, wo ihre Rolex geblieben sei, die hätte auf der Kommode gelegen“, schlug Beducker mir vor. Er berät viele professionelle Vermieter. Keiner von denen würde einen Schlüssel zu den Wohnungen haben, da man derlei Vorwürfe immer geltend machen könne.

Deswegen sollte ein Vermieter beim Betreten der Wohnung im Notfall immer einen anderen Mieter als Zeugen mitnehmen, so Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Hamburger Mietervereins. Er berät häufig Frauen, deren Unterwäsche von ihrem Vermieter durchwühlt wurde, während sie nicht zu Hause waren. „Die meisten wollen keinen Stress und kündigen fristlos“, das sei ihr Recht in der Situation neben einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch, so Chychla. Außerdem dürfe der Vermieter nur einen Schlüssel besitzen, wenn der Mieter damit einverstanden sei. Ansonsten könne der das Schloss austauschen lassen und dem Vermieter die Rechnung schicken.

Nach Feierabend klingelten mein Freund und ich bei Frau Dorsch. Obwohl sie nicht mal mehr Vermieterin ist, hielt sie es für ihr Recht, in die Wohnung zu gehen. Sie hätte geklingelt und alle BewohnerInnen der WG angerufen. Niemand hätte geöffnet oder sei ans Telefon gegangen. Wäre sie nicht in die Wohnung gegangen, hätte mich eine überaus hohe Wasserrechnung erwartet.

Ich erklärte ihr, dass sie auf eine Reaktion hätte warten müssen, dass es meine Rechnung sei, und dass sie rechtlich gesehen keinen Schlüssel haben dürfe. Sie räumte ein, dass es ihr leid tue, meinen Freund überrascht zu haben, nicht jedoch die Tatsache, dass sie in die Wohnung gegangen ist. Dann nutzte sie die Gelegenheit, mich über meine angeblich fehlerhaften Putz- und Lüftungsgewohnheiten zu belehren. Wenn mir das alles nicht gefalle, könne ich mich ja beschweren oder ausziehen. Davon, dass ich auch eine Mietminderung fordern oder sie anzeigen könnte, wollte sie nichts hören.

Ich lebe gerne in dieser WG. Das Zimmer ist groß, bezahlbar, zentral gelegen und meine MitbewohnerInnen sympathisch. Außerdem ist der Wohnungsmarkt in Lüneburg mehr als umkämpft und ich habe keine Zeit für einen Umzug. Genauso wenig Zeit habe ich für einen typisch deutschen Nachbarschaftsstreit, der vor dem Gericht endet. Also habe ich meinen Vermieter, den Hausverwalter angerufen. Er sorgt jetzt dafür, dass Frau Dorsch keinen Schlüssel mehr hat. Vielleicht tauschen wir noch das Wohnungsschloss aus. Und fragen tatsächlich mal nach unseren Rolex-Uhren. Leonie Habisch