Neuer Umweltskandal in China: Eliteschule auf Gifthalde erbaut

Fast 500 Schüler sollen schwer erkrankt sein. Ihre Schule befindet sich in Changzhou – auf einem Gelände, wo einst Chemiefabriken standen.

Kinder werden von ihren Eltern vor einer Schule abgeholt, manche tragen Schutzmasken gegen den Smog

Schulbesuche können gesundheitsgefährdend sein Foto: dpa

PEKING taz | Chinesen sind Berichte über Umweltskandale gewohnt. Es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht irgendwo im Land ein weiterer Fall über verseuchtes Grundwasser, vergiftete Flüsse oder ein Lebensmittelskandal bekannt wird. Wenn es allerdings um Kinder und Jugendliche geht, schlägt die Empörung besonders hohe Wellen.

Nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens CCTV sind in der ostchinesischen Stadt Changzhou in der Nähe von insgesamt drei ehemaligen Chemieanlagen in den vergangenen Monaten fast 500 Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 15 Jahre an Leukämie, Lymphknotenschwellungen und anderen Leiden erkrankt. Die wahrscheinliche Ursache: eine extrem hohe Konzentration vor allem an Benzol. Unabhängige Messungen hätten ergeben, dass an dem Ort der Schule die Werte knapp 95.000-mal über dem nationalen Grenzwert liegen. Auch andere krebserregende Substanzen wurden nachgewiesen.

Die zuständigen Behörden vor Ort bestreiten bislang einen Zusammenhang zwischen den Krankheitsfällen und dem ehemaligen Chemiestandort. Die Stadt Changzhou liegt rund 170 Kilometer nordwestlich von Schanghai inmitten einer Industrieregion.

Die betroffene Schule existiert erst seit dem vergangenen September. Mit der Spezialisierung auf Fremdsprachen und einer Gebühr von umgerechnet rund 1.000 Euro pro Semester können sich diese Schule vor allem Kinder wohlhabender Eltern leisten. Insgesamt 2.451 Schüler zählt die Eliteschule derzeit. 641 haben sich mittlerweile in medizinische Behandlung gegeben, bei der die Ärzte 493 Jugendliche mit Bronchitis, Hauterkrankungen, Schwellungen der Lymphknoten oder Leukämie diagnostiziert haben. Dem Fernsehbericht zufolge ist in den vergangenen acht Monaten damit jeder Vierte von ihnen erkrankt.

Giftige Chemieabfälle vergraben?

Der Sender beruft sich zudem auf einen anonymen ehemaligen Mitarbeiter von Changlong, dem Betreiber dieser Chemiefabriken. Der berichtet: Giftige Chemieabfälle seien während des Betriebs laufend auf dem Gelände abgelagert und vergraben worden. „Schon damals hatten viele Angestellte Hautkrankheiten.“

Changlong ist in der Vergangenheit wegen Umweltverstößen schon einmal belangt worden. Inzwischen reagiert auch die Zentralregierung in Peking auf diesen Bericht. Das Bildungsministerium hat angekündigt, eigene Untersuchungen vorzunehmen.

Ganz China leidet unter der jahrzehntelangen Vernachlässigung der Umwelt. Erst vor einigen Wochen gab das chinesische Landwirtschaftsministerium bekannt: Über 60 Prozent des Grundwassers sei so stark belastet, das es sich nicht einmal mehr für die Bewässerung der Landwirtschaft eignet. Als Trinkwasser kommt es schon gar nicht infrage.

Auch von sogenannten Krebsdörfern ist immer wieder die Rede, Dörfer in der Nähe von Industrieanlagen, in denen sich Krankheiten häufen, die auf chemische Kontamination zurückzuführen sind. Die chinesische Führung hat zwar schon vor Jahren strenge Umweltauflagen erlassen, die sich mit westlichen Standards durchaus messen lassen. Doch es hapert an der Umsetzung.

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