Polizeigewerkschafter über Terrorabwehr: „Zugangssperren helfen nicht“

Die Anschläge in Brüssel werfen Fragen zur Sicherheit auf. Rüdiger Holecek über Informationsaustausch bei Behörden, verschärfte Kontrollen und deren Nutzen.

Polizeiwagen und Menschen auf einer Straße

Die Polizei leitet die Menschen nach der Detonation vom Brüsseler Flughafen weg Foto: dpa

taz: Herr Holecek, die Terroristen von Brüssel haben sich sogenannte weiche Ziele wie das Empfangsgebäude eines Flughafens oder eine U-Bahn-Station ausgesucht. Kann man solche Ziele nicht besser schützen, etwa durch Eingangskontrollen, wie es sie in einigen Ländern bereits gibt?

Es ist eine irrige Vorstellung, dass man sämtliche Flughafengebäude in Europa absperren und den Zutritt nur nach Zugangskontrollen erlauben könnte. Das würde hohe Kosten verursachen, die kaum jemand aufbringen möchte. Außerdem wäre der praktische Nutzen gering. Terroristen, die möglichst viele Menschen umbringen wollen, würden einfach auf andere Ziele ausweichen. Größere Menschenansammlungen gibt es in den europäischen Ballungsgebieten genug.

Warum haben die Barrieren nicht geholfen, die an den Eingängen der Brüsseler U-Bahn errichtet sind? Das sind doch geschlossene Türen.

Niemand kann einen unerkannten Terroristen daran hindern, sich eine Fahrkarte zu kaufen und durch die U-Bahn-Sperren zu gehen. Solche Barrieren helfen vielleicht im Kampf gegen Drogen-, Diebstahl- und Gewaltkriminalität – aber gegen Selbstmordattentäter mit hoher krimineller Energie können sie nichts ausrichten.

Sind wir schutzlos den Terroristen ausgeliefert?

Nein, natürlicht nicht. Es ist zwar undenkbar, dass wir vor jedem Supermarkt eine Taschenkontrolle durchführen. Aber wir können unsere Anstrengungen verstärken, mögliche Täter vor der Verübung von Anschlägen ausfindig zu machen und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist in Deutschland glücklicherweise schon mehrfach gelungen. Dafür brauchen wir aber einen besseren und schnelleren Informationsaustausch zwischen den Behörden in den EU-Staaten. Bedenklich ist, dass sich einer der Verdächtigen der Anschläge von Paris, Salah Abdeslam, monatelang unerkannt in Belgien aufhalten konnte.

Sprechen nicht Datenschutzbedenken gegen einen besseren Informationsaustausch der Behörden innerhalb Europas?

Es geht nicht darum, neue Daten zu erheben, sondern die Daten, die zur Verfügung stehen, auch anderen mitzuteilen. Daran hapert es bislang. Ein Vorbehalt in der Bevölkerung gegen den starken Flüchtlingszustrom war auch, dass dadurch viele Menschen unregistriert in Europa unterwegs sind. Wir müssen dringend die Kontrolle darüber gewinnen, wer sich in Europa aufhält.

63, ist Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Gewerkschaft hat mehr als 177.000 Mitglieder und ist im DGB organisiert.

Braucht die Polizei mehr Kompetenzen?

Wir brauchen ein Umdenken in Teilen der Gesellschaft, in denen es ein gewisses Misstrauen gegenüber den Behörden gibt. Die Haltung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ funktioniert bei der Terrorabwehr nicht. Wenn wir Anschläge im Vorfeld verhindern wollen, brauchen wir auch einen besseren Zugang zu Telekommunikationsdaten von Verdächtigen. Wenn die Datenautobahn für Polizisten gesperrt ist, kann sie dort keine Täter verfolgen.

Außerdem muss die Polizei wieder mehr Personal für den Einsatz in den Wohngebieten bekommen. Gerade in schwierigen Gegenden, in denen Parallelgesellschaften zu entstehen drohen, muss die Polizei mehr Präsenz zeigen und braucht Beamte vor Ort, um die Stimmung mitzubekommen und so gefährlichen Entwicklungen frühzeitig begegnen zu können.

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