AfD-Hochburg Burladingen auf der Alb: Häusle am Hang und Wut im Bauch

In Burladingen haben mehr als 20 Prozent AfD gewählt. Einer von ihnen ist der parteilose Bürgermeister. Sie eint die Ablehnung von Merkels Politik.

An einer grauen Hauswand hängt ein AfD-Wahlplakat, daneben der Eingang zu einer Schlecker-Filiale.

So schön ist es in Burladingen Foto: Patrick Bauer

BURLADINGEN taz | Trotz des Wahlsonntags ist es ruhig und beschaulich in Burladingen im Zollernalbkreis in Baden-Württemberg. Rund 12.000 Menschen leben hier, verteilt auf zehn Stadtteile; einen Stadtkern gibt es nicht. Nördlich und südlich schützen schneebedeckte Hügel den Ort. Am Eingang der Stadt steht auch ihre Geschichte: alte Textilfabriken. Jahrzehnte blühte hier eine große Textilindustrie. Übrig geblieben ist noch der Hersteller Trigema.

Am Ortseingang hängt ein AfD-Plakat mit dem flotten roten Pfeil auf blauem Grund: „Damit Baden-Württemberg Heimat bleibt“, steht da. Die AfD wird nach Auszählung der Stimmen in Burladingen auf 21,3 Prozent kommen, ihr Rekordergebnis im Wahlkreis. Der Ort ist nicht die Heimat der Abgehängten. Die Leute schaffen hier, fahren mit guten Mittelklassewagen zum Wahllokal. Viele bauen auch ein Häusle am Hang.

Ein älteres Ehepaar um die 60 mit beigefarbenen Anoraks tritt aus dem Wahllokal. „Entschuldigen Sie, dürfte ich Sie etwas zur Wahl …“. „Da müssen Sie den Bürgermeister fragen. Der hat da schon das Richtige gesagt“, unterbricht der Mann. „Wir wählen so, wie wir das wollen“, sagt die Frau, „und nicht, wie die anderen uns das sagen.“ Dann fahren sie in ihrem neuen VW Touran davon.

Im Wahlkampf haben zwei Meinungsführer der Stadt mit überraschenden Empfehlungen für Aufregung gesorgt. Der Erste war Trigema-Chef Wolfgang Grupp. Ein bodenständiger Unternehmer, immer im Maßanzug unterwegs. Er leitet eines der wenigen Textilunternehmen, das noch in Deutschland produziert. Typisch CDU, dachten viele. Er empfahl die Wahl der Grünen.

Der andere ist Harry Ebert, seit 1999 parteiloser Bürgermeister. Erst vergangenes Jahr wurde er mit 83,0 Prozent der Stimmen wiedergewählt, einen Gegenkandidaten gab es nicht. Doch es heißt, Ebert sei ein Stadtvater, dem die Fähigkeit fehle, zu integrieren und die Bewohner zusammenzuführen. Er wollte ein „unbequemer“ Bürgermeister sein, der für „Spannung und Spannungen“ sorge, sagte er damals.

Wahlempfehlung für die AfD

Im zurückliegenden Wahlkampf teilte er auf seinem Facebook-Profil Posts und Wahlplakate der AfD und gab der Partei und der Gruppe „Merkel muss weg“ sein „Like“. Irgendjemand gab das an den Schwarzwälder Boten weiter. Die Reaktionen reichten von „Schämen Sie sich, Herr Ebert“ bis hin zu „Ebert hat wenigstens Eier in der Hose“.

Der taz sagte Ebert: „Das Problem der massenhaften und auf Dauer nicht zu bewältigenden Zuwanderung, mit den zu erwartenden enormen Problemen sozialer und kultureller Art, überlagern alle sonstigen Probleme in unserem Land.“

Wer am Sonntag AfD gewählt hat, sieht das ganz ähnlich. Die „Flüchtlingskrise“ ist das überragende Thema. „Müssen die alle nach Deutschland kommen?“, fragen zwei junge Männer, die in Burladingen als Mechaniker und Lagermeister arbeiten. Früher haben sie CDU gewählt. Die AfD müsse nicht in die Regierung kommen, aber sie solle der Politik Angela Merkels einen Dämpfer versetzen. Sie fragen sich immer wieder gegenseitig: „Oder?“ „Ja, genau.“ Wie zur Bestätigung, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Meinung.

Nach ihnen kommt eine ältere Frau, freundlich und ruhig. Ganz ohne Wut sagt sie über die Flüchtlinge: „Die Kulturen passen einfach nicht zusammen. Man sieht doch, dass die sich nicht integrieren wollten.“

Schon mehr ins Bild, das viele von den AfD-Wählern haben, passt ein stark tätowierter Mann mit A.C.A.B.-Aufschrift auf der Hose. Er sagt: „Wenn das so weitergeht, müssen wir uns irgendwann noch schämen, dass wir deutsch sind.“ Klingt nach NPD, die aber, sagt er, sei ihm viel zu rechts. Die AfD sei dagegen eine gute wählbare Partei. 2011 hatte er gar nicht gewählt.

Lieber nicht öffentlich

Mehr als ein Fünftel der Wähler in Burladingen haben AfD gewählt, aber öffentlich in Verbindung will fast keiner mit ihnen stehen. „Wir haben ein Familienunternehmen, und viele Kunden sehen das sicher anders“, sagt ein Handwerker. „Ich bin da vielleicht ein bisschen zu extrem, das muss hier keiner wissen“, sagt der Produktionsarbeiter.

Egal mit wem man an diesem Tag spricht, die AfD-Wähler sind die mit mehr Zorn, mehr Frust und mehr Angst. Die anderen Wähler sagen: „Wir waren erstaunlich überrascht von der Arbeit Kretschmanns.“ Der Nächste: „Ich wünsche mir schon, dass Baden-Württemberg wieder von der CDU regiert wird.“ Und dann kommt ein 25-jähriger Mann und sagt: „Die CDU treibt uns in den Untergang.“ Es gibt dieses einende Gefühl: Es sind zu viele Flüchtlinge. Das wird nicht funktionieren.

Die AfD fängt diese Stimmung auf, wenn auch die meisten Wähler unsicher sind, was aus ihrer Proteststimme wird. „Mal sehen, was es bringt“, sagt einer. Und Bürgermeister Ebert schreibt der taz am Montag: „Wenn man bedenkt, was Sinn und Zweck der Sache war, nämlich den etablierten Parteien zu zeigen dass sie momentan am Volk vorbeiregieren, dann kann ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. Das war ein Schuss vor den Bug und Merkel und Co. tun gut daran, dies nicht zu ignorieren.“ Ein weiteres Engagement für die AfD stehe für ihn „derzeit nicht zur Diskussion“.

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