Umgang mit Populismus: Schrill gegen laut

Die AfD fordert Schießbefehle und macht sich über gegenderte Sprache lustig. Die Gegenseite schreit laut zurück. Ist ein Dialog möglich?

Bunte Zettel mit der Aufschrift "fck afd" liegen 2015 bei einer Gegendemonstration des Bündnisses "Bunt statt Braun" zum 4. Bundesparteitag der AfD in Hannover in einer Pfütze

Das ist der Sound, 2015: „FCK AfD“ – für die einen ist die Message klar. Die anderen aber fragen sich: Ist das Haarspray? Foto: dpa

Es gab zahlreiche Situationen in den vergangenen Monaten, in denen sich zeigte, wie vergiftet die Debattenkultur in Deutschland derzeit ist. Ein SPD-Politiker bezeichnete einen Teil der Bürgerinnen und Bürger als „Pack“. Das „Pack“ wiederum trug einen für ihn reservierten symbolischen Galgen durch die Straßen. Ein CDU-Politiker gab zu Protokoll, er würde sich „erschießen“, wenn er mit einer bestimmten AfD-Politikerin verheiratet wäre. In Talkshows reden Publizisten über Frauke Petry, als wäre sie nicht da, während sie lächelnd daneben sitzt.

Und AfD-Leute befürworten einen Schießbefehl an der Grenze und nehmen die Aussage halbherzig zurück, aber erst, wenn sie in der Welt ist.

Die einen schreien „Überfremdung“, die anderen reagieren empört und schimpfen auf „Rechtspopulisten“, „Hetzer“ und „Rassisten“. Schreien gegen das Geschrei.

Zwischen Willkommenskultur und Angst vor Überfremdung ist offenbar schwer zu vermitteln. Es ist, als zöge sich ein Absperrgitter durch Deutschland. Und auf beiden Seiten stünden Menschen mit Megaphonen und Ohrenschützern: Sie sind laut, weil sie gehört werden wollen, aber hören nicht auf das, was von der Gegenseite zurückschallt. Wo Debatte sein könnte, gibt es einen doppelten Monolog. Und der ist ein Ausdruck von Sprachlosigkeit.

Aufeinandertreffen in Trier

Ist ein Dialog in dieser aufgeheizten Stimmung möglich? Der taz-Autor Arno Frank ist zusammen mit AfD-Anhängern zu einer Wahlkampfveranstaltung in Trier gefahren, um eine Veranstaltung der Partei zu besuchen, die als „Dialog“ ausgewiesen war. 150 AfD-Sympathisantinnen und -Sympathisanten und etwa 100 AfD-Gegnerinnen und -Gegner trafen sich in einer Veranstaltungshalle in Trier, um – ja, eigentlich doch, um zu reden. In der Halle erlebte er Beatrix von Storch, die sich unter anderem über gegenderte Sprache lustig machte. Seine Eindrücke beschreibt er in einem Essay in der taz.am wochenende vom 20./21. Februar.

Und er sucht nach einem Rahmen, in dem der Dialog mit Populisten gelingen könnte.

Woher kommt unsere Sprachlosigkeit gegenüber Populisten? Ein Essay von Arno Frank in der taz.am wochenende vom 20./21. Februar. Außerdem: Schanna Nemzowa ist die Tochter des russischen Politikers Boris Nemzow, der vor einem Jahr ermordet wurde. Sie lebt in Deutschland im Exil. Ein Gespräch. Und: Ein glitzerndes Kapitel Popgeschichte – ein Besuch bei den Caufner-Schwestern, einem One-Hit-Wonder aus der DDR. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Wie finden wir zu einem Gespräch zurück? Gegenseitige Schmähungen und Beschimpfungen helfen jedenfalls nicht weiter. Sie befriedigen das eigene Gewissen. Aber seine Meinung ändert dadurch niemand. In Diskussionen zu weniger polarisierenden Themen überzeugen doch auch nicht diejenigen, die am lautesten beleidigen.

Wäre es nicht besser, der „Schreispirale“, wie der Publizist Sascha Lobo sie nannte, zu entfliehen und den anderen aufzuzeigen, warum man ihre Positionen für falsch hält? Man würde dann argumentieren, dass Menschen aus Kriegsgebieten nicht nach Deutschland kommen, weil sie hier morden und vergewaltigen wollen, sondern weil sie vor Mördern und Vergewaltigern fliehen. Man könnte auch sagen, dass sie ihr Land nicht so leicht verteidigen können, wenn Kampfflugzeuge Bomben auf ihre Köpfe werfen. Oder wenn die hochgerüsteten Milizen des Islamischen Staates mit modernen Panzern vor der Tür stehen. Man könnte anführen, dass einzelne Verbrechen durch Flüchtlinge nicht verallgemeinerbar seien und die Kriminalitätsrate im Umfeld von Flüchtlingsheimen nicht signifikant gestiegen sei.

Alles nicht so einfach

Ein paar besonnen vorgetragene Argumente, könnte man meinen, und schon wäre das Klima weniger vergiftet. Aber auch so leicht ist es nicht. Beide Seiten, links wie rechts, sind sich in einer Sache einig: dass ihre Position die richtige ist. Es mangelt am Interesse, sich in den anderen hineinzuversetzen und dabei auch die eigene Position zu hinterfragen. Nimmt man den anderen und dessen Sorgen denn wirklich ernst?

Aber Arno Frank fragt auch: Hat ein Gespräch überhaupt Sinn?

Wie reden wir mit Populisten? Ist unser Geschrei nicht nur ein Ausdruck von Sprachlosigkeit? Welche Voraussetzungen sind nötig, um Brücken zu bauen? Wie kann der Dialog über das Indiskutable funktionieren? Glauben Sie, dass ein Dialog überhaupt möglich ist? Oder sind manche Aussagen einfach indiskutabel?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte “Weil... fuck you!„ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Februar 2016

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