Hoffnung auf ein glückliches Arbeitsleben

ABC ODER ALPEN Seminare im Bereich Selbstmanagement sollen ArbeitnehmerInnen dabei helfen, ihren Arbeitsalltag effizienter und attraktiver zu gestalten und so Unlust und Bournout zu verhindern. Die Methoden dafür sind vielfältig

Der übervolle Schreibtisch: ein Symbol für Überlastung und unstrukturiertes Arbeiten   Foto: dpa

von Thomas Wübker

„Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt“, sang der Schlagersänger Barry Ryan einst. Vielen gestressten Führungskräften, Freiberuflern oder Angestellten mag dieses Lied in den Ohren klirren, wenn sie erkennen, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Wie sie besser mit ihrer Zeit umgehen können, lernen sie in Selbstmanagement-Seminaren. „Dabei geht es um Effizienz, aber auch um die Erkenntnis: Wie gehe ich selbst mit mir um?“, sagt der Coach Christian Rangenau, Inhaber des Unternehmens Stagement in Bokholt-Hanredder bei Elmshorn.

Früher lebten Arbeitnehmer nach der Stechuhr – morgens rein, abends raus. Doch die Zeiten haben sich geändert. Das Idealbild eines Arbeiters oder einer Angestellten, einer Führungskraft und von Freiberuflern ist: Der Job soll glücklich machen.

Dabei hilft ihnen Tobias Ain. Der 42-Jährige lebt in der Nähe von Kiel und ist seit 16 Jahren Trainer. In seinen Seminaren tauche bisweilen die Frage auf: Warum mache ich das? „Dann stellt sich die Frage: Wie motiviere ich mich jeden Tag aufs Neue.“ Die Antwort darauf gehe ins Persönliche, sagt er.

Ains Kundschaft besteht aus Verkäufern jeglicher Couleur. Microsoft und die Deutsche Post zählen zum Beispiel zu seinen Kunden. Das Motto, das er weitergibt: Verkaufen macht Spaß. Das klingt arg nach „Tschaka“–Power-Seminaren. Ist es aber nicht, sagt Ain. „Die Inhalte meiner Seminare sind vielfältig und nachhaltig. Sie behandeln neben grundlegenden Verkaufstechniken auch Themen wie Kommunikation, Zeit-Management, Verhandlungsstrategien oder die Herausforderungen des Internets.“

Nicht alle Menschen werden in ihrem Job glücklich. Vor allem aber soll der Job nicht fertigmachen. Burnout, Überforderung oder Kontrollverlust sind Schlagwörter für die negativen Folgen von zu viel Arbeit. Dabei liegt es allerdings häufig im Auge des Betrachters, was als Stress empfunden wird und was nicht.

Seit 30 Jahren arbeitet Christian Rangenau als Coach im Selbstmanagement-Geschäft. Er sagt: „80 Prozent der Aufgaben, die wir erledigen, zählen nicht zu den wichtigen Aufgaben.“ Der 58-jährige Coach sieht als Voraussetzung für ein erfülltes Arbeitsleben die Fähigkeit, zu erkennen, welche Aufgaben wichtig sind und welche delegiert werden können. Dies gelinge, sagt er, am besten mit der sogenannten ABC-Analyse. Sie unterteilt das, was erledigt werden muss. Die A-Aufgaben werden als sehr wichtig eingestuft und sollten sofort erledigt werden; B-Aufgaben sind weniger wichtig, können später erledigt oder delegiert werden; und C-Aufgaben können delegiert oder sogar verworfen werden.

Es gibt weitere Methoden, um Aufgaben einzuordnen, beispielsweise die Eisenhower-Methode, die als Vorbild der ABC-Analyse gilt oder die ALPEN-Methode. Sie kann als eine Art Tagesplan betrachtet werden. Die Buchstaben des Akronyms stehen für A wie Aufgaben aufschreiben, L wie Länge einschätzen, P wie Pufferzeit einplanen, E wie Entscheidungen priorisieren und N wie Nachkontrollieren, was erreicht worden ist.

Auch die SMART-Methode soll beim Einordnen helfen. Dabei steht im Vordergrund, Ziele möglichst realistisch einzuschätzen und sinnvolle Fristen zu setzen. Die SMART-Methode wurde schon im Jahr 1956 entwickelt und ist ebenfalls ein Akronym. Es steht für: „Spezifisch“: Ziele sollen so spezifisch wie möglich beschrieben werden, „Messbar“: Orientierung an messbaren Fakten, „Attraktiv“: Es soll so geplant werden, dass auch Lust besteht, den Plan umzusetzen, „Realistisch“: Der Plan muss machbar sein, und „Termingerecht“: Die Aufgaben sollen zeitlich bindend geplant werden.

Noch ein Akronym? Hier kommt die AMORE-Methode. Die Buchstaben stehen für ambitiös, motivierend, organisiert, realistisch und echt. Wem dabei die Entspannung zu kurz kommt, dem sei die Pomodoro-Methode empfohlen. Dabei stellt sich der Werktätige einen Wecker, der alle 25 Minuten klingelt. Das ist das Signal für eine fünfminütige Pause. Hat es viermal geklingelt hat, gibt es eine große Pause von 30 Minuten.

„Selbstmanagement hat viel mit Zeit zu tun“, sagt Rangenau. Es gilt, Zeitfresser ausfindig zu machen und sie zu eliminieren. Dazu zählt seiner Meinung nach ein überfüllter Schreibtisch, Besprechungen, bei denen profilierungssüchtige Vortragende zu weitläufig reden, oder privater Schwatz. Pausen seien keine Zeitfresser, sondern wichtig.

„Das Butterbrot oder den Kaffee neben dem Computer stehen zu haben oder das Mittagessen schnell aufzuwärmen - das bringt es nicht“

CHRISTIAN RAnGENAU, Coach

„Das Butterbrot oder den Kaffee neben dem Computer stehen zu haben oder das Mittagessen schnell aufwärmen – das bringt es nicht“, sagt er. Der Körper muss sich ausruhen können. Er produziert während der Arbeit viel Adrenalin. Und wenn er nicht mehr in der Lage ist, es abzubauen, wird er krank. Diese Dinge beherzigt Rangenau auch selbst. Delegieren und loslassen können, selbst wenn ihm Dinge nicht so gefallen. „Jeder hat seinen individuellen Stil“, sagt er.

Strukturierung der Arbeitszeit steht für Ain an oberster Stelle. Er benutzt ebenfalls das Bild des vollen Schreibtischs. Der deute auf eine unstrukturierte Arbeitsweise hin. „Aber To-Do-Listen funktionieren bei vielen Leuten nicht“, sagt er. Wenn am Ende des Tages so eine Liste nicht abgearbeitet wurde, entstehe Frust. Dann komme immer mehr auf die Liste. „Und am Ende ist sie so lang wie eine Klopapier-Rolle.“ Ain setzt konkret an der Strukturierung an, nutzt zum Beispiel Software, um Strukturen zu schaffen.

Er hat selbst die Erfahrung des übervollen Schreibtischs gemacht, sagt er. „Jetzt arbeite ich viel mit Elektronik, papierlos und viel von unterwegs.“ Der Auslöser, sein Arbeitsleben besser zu strukturieren, sei das Buch „Getting things done“ des US-amerikanischen Autors David Allen gewesen. Der coacht Führungskräfte und hat die Software für die Palm-Organizer mit entwickelt. Ain sieht die Methode von Allen mehr als eine Art Philosophie. Sie sei aber auch effizient. „Wenn ich meine Termine in verlässliche Systeme wie Kalender übertrage, habe ich den Hinterkopf frei und befreie mich von Stress.“

Um sich im immensen Angebot der Selbstmanagement-Seminare das Richtige herauspicken zu können, solle Wissen über den Trainer angelesen, auf die Referenzen und persönliche Empfehlungen geachtet werden, empfiehlt Ain. Der oder die Suchende müsse sich fragen, welche Lebensziele verfolgt werden, so Rangenau. Bei der Suche nach dem richtigen Coach solle darauf geachtet werden, wie dieser auftritt und wie er in Gesprächssituationen gehe. Letztlich spielt auch die Sympathie eine entscheidende Rolle. Vertrauen ist grundlegend bei den Seminaren. Mittlerweile gebe es aber auch einen Trend zu Online-Seminaren, sagt Ain.

Wichtig sei es, dass Seminare in einem geschützten Rahmen stattfänden, sagt Rangenau. „Sie stehen bei uns unter Schweigepflicht.“ Dies sei vor allem für jene Teilnehmer wichtig, die nicht sofort zugeben können, dass sie Hilfe benötigen. Rangenau erzählt von Unternehmensleitern, die bei Selbstmanagement-Seminaren als stille Mäuschen dabei sitzen wollten, um zu erfahren, was ihre Angestellten denken. Das sei natürlich ausgeschlossen, sagt er.