Kolumne Wir retten die Welt: Ein Hoch auf die Absteiger

Anders als vor 40 Jahren müssen wir heute nicht fürchten, dass uns Kohle, Öl oder Gold ausgehen. Sondern genau das Gegenteil.

Ölförderpumpe vor Sonne

Pumpen bis zum Peak-Oil Foto: dpa

„Ein super Wortspiel“, sagte der Ressortleiter damals. „Hm“, zweifelte ein Kollege. „Vielleicht hatte auch nur jemand ganz wenig Ahnung von Englisch.“

Bis heute rätseln wir: War es Genie oder Legasthenie, das uns vor gut einem Jahr den Begriff „Pig Oil“ in der Zeitung bescherte? Statt vom Gipfel der Förderung, dem viel diskutierten „Peak Oil“, war da also vom „Schwein Öl“ die Rede. Eine Behauptung, mit der wir den intelligenten Lebewesen der Gattung Sus scrofa domesticus heftig auf den Ringelschwanz traten.

Jetzt ist die Debatte über Peak Oil wieder da. Und zwar, weil dieser Gipfel wohl eher ein tiefes Tal ist. Seit einem Jahr schlagen die Notierungen an den Rohstoffmärkten dem Ölfass den Boden aus.

Bei einem Preis, der seit dem vergangenen Sommer um 70 Prozent gefallen ist, überschwemmt der schwarze Saft den Weltmarkt. Dabei sollte doch alles ganz anders kommen: „Peak Oil“ war der Punkt, an dem uns das Öl ausgeht, warnten vor 40 Jahren der Club of Rome und seine Fans. Die Grenzen des Wachstums würden sich bald zeigen, wenn die Ressourcen weiterhin geplündert würden.

Die Panik ist da – aber aus dem genau gegenteiligen Grund

Was die Visionäre von damals unterschätzten, waren der technische Fortschritt beim Bohren, das Energiesparen – und die Dynamik der Märkte. Denn je knapper das Öl wird, desto höher steigt der Preis, desto eher lohnen sich die extrem teure Suche und Produktion auch am Nordpol und in der Tiefsee. „Peak Oil“ war wie das Waldsterben: von den Ökos als Schreckgespenst an die Wand gemalt – und weil es (noch) nicht eintrat, von der Anti-Öko-Lobby als Bumerang genutzt: alles Panikmache!

Die Panik ist inzwischen da – aber aus dem genau gegenteiligen Grund: Weil es mit dem superbilligen Öl einfach immer weitergeht. Und die Idee hat sich selbstständig gemacht, es piekt an allen Enden: keine Ressource, deren Gipfelpunkt nicht schon abzusehen ist: Peak Soil, weil uns die fruchtbaren Böden unterm Hintern wegerodieren; Peak Water, weil wir 40 Prozent mehr Süßwasser verbrauchen, als sich regeneriert; Peak Fish, weil wir die Meere leer fressen; Peak Wood, weil unser Hunger nach Biomasse unersättlich scheint. Und liegt der Peak Population bei neun Milliarden Menschen 2050?

Bei all der Gipfelstürmerei sollten wir nicht vergessen, dass es noch ein anderes, gefährliches Hochgebirge gibt, das zum Beispiel aus „Peak Consumption“, „Peak Plastic“, „Peak Carbon“ und „Peak Meat“ besteht. Von denen sollten wir ebenfalls schnell absteigen, ehe uns die Lawine erwischt. Denn anders als vor 40 Jahren müssen wir nicht fürchten, dass uns Kohle, Öl oder Gold ausgehen, sondern das Gegenteil: dass es noch so viel von ihnen gibt und dass ihre Abfallprodukte es eng werden lassen für lebendige Meere, für eine intakte Atmosphäre und für Böden, auf denen Lebensmittel wachsen.

Aus China kommt da zur Abwechslung mal ein bisschen Hoffnung: Dort haben sich die CO2-Emissionen aus den Kohlekraftwerken im vergangenen Jahr offenbar gesenkt statt zu steigen. Und neue Kohleminen wird es erst mal nicht geben.

Wenn das ein Trend würde, wäre es fast zu schön, um wahr zu sein. Der „Peak Emissions“ beim aktuell größten Klimasünder der Welt käme fünfzehn Jahre früher als gedacht. Und wir könnten endlich mal einen erfolgreichen Absteiger feiern.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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