Wahlkampf in Baden-Württemberg: Der Staatstragende

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann versucht sich mit seiner Wahlkampagne in asymmetrischer Demobilisierung.

Winfried Kretschmann schaut aus einem Auto, auf das ein Bild von ihm selbst geklebt ist.

Kuckuck! Winfried Kretschmann beim Versuch nicht aufzufallen. Foto: dpa

BERLIN taz | Sollte Angela Merkel demnächst tatsächlich Geschichte sein, wird ihr die Republik zumindest eines zu verdanken haben: Auch die letzten Journalisten, Politikberater und Hobbystrategen können mittlerweile den Begriff der asymmetrischen Demobilisierung übersetzen. Den Gegnern die Themen klauen, kontroverse Fragen gar nicht ansprechen und so dafür sorgen, dass potenzielle Wähler anderer Parteien zu Hause bleiben – mit diesem Rezept hat die Kanzlerin ihre Bundestagswahlen gewonnen.

Aber auch Winfried Kretschmann, der konservative Konsensgrüne aus Baden-Württemberg, versteht sich auf die asymmetrische Demobilisierung. Dass sich der Ministerpräsident etwas von der Kanzlerin abgeschaut hat, deutet sich schon lange an. Den Beweis liefert der Spitzenkandidat der Landesgrünen jetzt mit seiner Plakatserie zur Wahl im März.

Kretschmanns Kniff: Auch er verzichtet auf Streitthemen. Stattdessen setzt er, ganz unverbindlich: auf Sachen. „Leidenschaft für die Sache“, steht zumindest auf Motiv Nummer 1, darüber das Konterfei des Ministerpräsidenten, der direkt in die Kamera blickt. Auf Motiv Nummer 2 schaut er mit erhobener Hand nach links. Slogan: „Menschlich und mutig handeln“.

Auf Motiv Nummer 3 schließlich richtet er den Kopf nach rechts, Blick in die Ferne, darunter drei Worte: „Dem Land verpflichtet.“ Verbindlich, staatstragend, als bewerbe sich Kretschmann für eine Anschlussverwendung in der Zeit nach Grün-Rot (Bundespräsidialamt, Konrad-Adenauer-Haus, Verschönerungsverein Sigmaringen).

Kretschmanns Plan geht auf

Und tatsächlich: Der Plan geht auf. Kretschmanns Konkurrenten tun sich schwer damit, Angriffspunkte zu finden. Im Wahlkampf weichen sie durch die Reihe auf Themen aus der Bundespolitik aus.

Der konservative Konsensgrüne verzichtet auf Streit­themen

Hans-Ulrich Rülke zum Beispiel, Spitzenkandidat der FDP, lädt für Mittwoch zur öffentlichen Einreichung einer Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe. Er klagt gegen die Vorratsdatenspeicherung – für die die baden-württembergische Landesregierung nun nichts kann.

Die CDU geht noch einen Schritt weiter: Sie sucht sich ihre Gegner in der eigenen Partei. Als Bundesfinanzminister Wolfgang-Schäuble vor zwei Wochen vorschlug, die Flüchtlingspolitik mit höheren Benzinsteuern zu finanzieren, intervenierte Spitzenkandidat Guido Wolf. „Das schadet dem Autoland Baden-Württemberg!“, verkündete er.

Die speziellste Finte ließ sich aber die SPD einfallen. Gestern flog Parteichef Sigmar Gabriel als Wahlkampfhelfer ein. In Stuttgart stellte er einen „Modernisierungspakt für Deutschland“ vor. Darin kritisiert er die schwarze Null der Bundesregierung – deren Vizechef er bekanntlich selber ist.

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