Verschärfung des Sexualstrafrechts: Der Wille der Opfer

Die Ereignisse in Köln rücken das Thema sexualisierte Gewalt in den Fokus. Expertinnen fordern eine grundlegende Reform des Rechts.

Frau mit Button der eine durchgestrichene Hand zeigt, darunter steht „no“

Demo gegen sexualisierte Gewalt in Köln. Foto: dpa

BERLIN taz | Auf eines können sich alle einigen: Sie wollen Schutzlücken im Sexualstrafrecht schließen. Von der SPD über die CDU zu Frauenverbänden und FeministInnen wird der Gesetzentwurf zur Reform der aktuellen Rechtslage von Justizminister Heiko Maas (SPD) begrüßt. Doch vielen geht der Entwurf nicht weit genug. Die breite Unterstützung für die Kampagne #ausnahmslos zeigt außerdem, dass man sexualisierte Gewalt nicht ausreichend bekämpfen kann, indem man sich vor allem auf Abschiebungen konzentriert.

Der Entwurf sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sagt die Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes (DJB), Dagmar Freudenberg. „Aber ‚Nein heißt Nein‘ ist es natürlich nicht.“ Aus Sicht Freudenbergs ist die Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit Maas‘ Gesetzentwurf allein noch nicht gegeben. Der Entwurf stellt zwar, anders als die bisherige Rechtslage, auch Missbrauch „unter Ausnutzung besonderer Umstände“ oder überraschende und deswegen unabwehrbare Übergriffe unter Strafe. Doch dass eine Frau klar gemacht hat, dass sie in eine sexuelle Handlungen nicht einwilligt, reicht weiterhin nicht aus.

Die Reform des Vergewaltigungsparagrafen (§ 177) dürfe nicht das letzte Wort sein, fordert Freudenberg. Sie setzt auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe im Justizministerium, die seit Anfang 2015 eine mögliche Reform des gesamten Abschnitts im Strafgesetzbuch prüft, in dem Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung geregelt sind.

Deutlicher äußert sich Elke Ferner (SPD), Staatssekretärin im Frauenministerium und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Sie fordert „eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechts, die den Willen der Opfer in den Mittelpunkt stellt.“ Nur so könne sichergestellt werden, dass ein Nein auch in Deutschland endlich Nein bedeutet. Ferner zufolge ist die rechtliche Lage eigentlich ausreichend, das Problem sieht sie in der gängigen Rechtsprechung. Zu häufig stellten Staatsanwaltschaften und Gerichte das Verhalten des Opfers in den Vordergrund und verlangen seine deutliche Gegenwehr, so Ferner.

Aufruf #ausnahmslos

Sowohl Ferner als auch Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) haben nach den Übergriffen in Köln den Aufruf #ausnahmslos unterzeichnet. Er richtet sich entschieden gegen sexualisierte Gewalt. Die Unterzeichnerinnen wehren sich aber gleichzeitig gegen eine Vereinnahmung ihrer Forderungen durch PopulistInnen, die gegen eine bestimmte Gruppe hetzen wollen. „Mit einer Unterschrift ist es nicht getan“, betont Anne Wizorek, Mitinitiatorin des Aufrufs. Gerade von Unterstützenden, die über bestimmte Machtpositionen verfügen, wünscht sie sich auch aktive Unterstützung. Rechtliche Schutzlücken müssten geschlossen werden, darüber hinaus seien aber mehr öffentliche Aufklärungsarbeit sowie Schulungen für Polizei und Justiz nötig. Wenn diese Institutionen Frauen eine Mitschuld an Übergriffen geben würden, etwa weil sie Alkohol getrunken haben, „haben Betroffene so gut wie keine Chance, ein faires Urteil zu erwarten“, sagt Wizorek.

Der Aufruf #ausnahmslos mache klar, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen kein Phänomen ist, das Menschen anderer Herkunft oder Religion nach Deutschland ‚importieren‘, sagt Ferner. „Sexismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen finden täglich und überall in Deutschland statt – sie sind leider auch Teil der deutschen Gesellschaft.“ Dass nach den Ereignissen in Köln Menschen ohne deutschen Pass, die schwere Straftaten begehen, künftig schneller abgeschoben werden sollen, hält sie für richtig. „Allerdings ist das für Sexualstraftäter mit deutscher oder einer EU-Staatsbürgerschaft beziehungsweise einem unanfechtbaren Aufenthaltsstatus keine Abschreckung.“

Über 5.000 Unterschriften

Zur Zeit würden Forderungen gestellt, die mit der Diskussion um den Schutz sexueller Selbstbestimmung nichts zu tun hätten, kritisiert auch DJB-Expertin Freudenberg. „Abschiebungen haben ja nicht primär etwas mit der Prävention sexueller Gewalt zu tun.“ Zudem sei es überhaupt nicht möglich, etwa Menschen aus Syrien wieder in ihr Heimatland abzuschieben, wo ihnen Gefahr für ihr Leben droht. „Das dürfen wir nicht – das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht“, sagt Freudenberg.

Wizorek ist zufrieden mit der Unterstützung, die #ausnahmslos erfahren hat. Mittlerweile gebe es mehr als 5.000 Unterschriften von Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und Schichten. Das zeige, wie viele Menschen eine differenzierte Debatte über Sexismus, Rassismus und sexualisierte Gewalt wünschen. Dabei gehe es genauso darum, TäterInnen zu bestrafen, als auch Wege zu finden, diese Formen der Gewalt zu verhindern. Dazu gehöre auch die Stärkung einer „Kultur des Respekts gegenüber Frauen“, sagt Ferner. „Zur Überwindung des alltäglichen Sexismus muss jede und jeder einzelne von uns beitragen.“

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