Kommentar Waffengesetze in den USA: Gewalt als Routine

Im Vorstoß Obamas liegt die Chance, die Normalität von Waffengewalt zu durchbrechen. Politisch begeht er ein Risiko. Aufgeben ist keine Option.

Viele Gewehre liegen auf einem Haufen.

Trotz strikterer Waffengesetze: Die geschätzten 300 Millionen Knarren in Privathand werden im Umlauf bleiben. Foto: reuters

Barack Obama handelt. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Der US-Präsident will endlich auf die Waffengewalt reagieren und die Gesetze per präsidialem Erlass verschärfen. Schlupflöcher bei Waffenverkäufen sollen geschlossen und Geld investiert werden, um die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren. Damit macht sich Obama vom Kongress unabhängig, wo Gesetzesänderungen bisher immer am Widerstand der Republikaner scheiterten.

Im Vorstoß Obamas liegt Chance und Risiko zugleich. In den USA ist Waffengewalt zur Normalität geworden. Die nimmt man hin, hinterfragt sie nicht mehr. So ist es in Amerika nach jedem Amoklauf. Die Toten werden betrauert, Mahner mahnen, Waffenfans relativieren und am Ende ändert sich nichts. Gewalt als Routine.

Die Chance liegt darin, diese Routine zu durchbrechen. Nur wenn Politik handelt, um diese Normalität nicht länger hinzunehmen, kann Veränderung einsetzen. Niemand ist so naiv, zu glauben, dass mit Obamas Erlass alles besser wird. 300 Millionen Waffen bleiben im Land im Umlauf und Gewalttaten wird es trotz besserer Hintergrundchecks immer geben. Aber nichts tun ist keine Antwort.

Das Risiko ist ein politisches. Obama will nicht wiedergewählt werden. Das ermöglicht ihm, das Thema Waffen, das die Gesellschaft massiv spaltet, anzugehen. Doch Waffenfans und Republikaner werden seinen Erlass nicht hinnehmen. Sie werden versuchen, ihn juristisch zu Fall zu bringen – wie bei den umstrittenen Gesundheits- und Einwanderungsreformen. Die Krankenversicherung hat der Supreme Court durchgesetzt, über Einwanderung wird noch gestritten.

Die Waffenbefürworter werden außerdem die emotionale Karte spielen. Die Lobby ist perfekt darin, ihrer Klientel vorzugaukeln, dass der Staat ihnen die Waffen und damit ihre Freiheit nehmen will. Es sind keine rationalen Argumente, sie wollen die Wähler mobilisieren. Zwar befürwortet mittlerweile eine Mehrheit Maßnahmen wie Hintergrundchecks, aber für viele ist das nicht der wichtigste Wahlaspekt. Diejenigen hingegen, die Angst um ihre Waffen haben, gründen ihre Wahlentscheidung auf diesem Punkt.

Im Wahlkampf müssen die Demokraten darauf reagieren und zeigen, dass sie mit rationalen Argumenten Wähler mobilisieren können. Hillary Clinton hat Obamas Pläne bereits öffentlich unterstützt. Gut so. Aufgeben ist bei diesem Thema keine Option.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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