Pascal Beucker über die Konsequenzen der Kölner SilvesterNacht
: Richtiges Opfer, falsche Gründe

Der Abgang des Polizeichefs war nicht zu vermeiden. Aber er hat nicht alles falsch gemacht

Schon lange gab es nicht mehr eine solche Übereinstimmung von Öffentlichkeit, Medien und Politik über alle Parteigrenzen hinweg. Dass der Rausschmiss des Polizeipräsidenten von Köln richtig war, darüber sind sich alle einig, die sich sonst so uneinig sind. Das sollte, das muss misstrauisch machen. Nicht wegen der Entscheidung selbst: Der Entschluss von NRW-Innenminister Ralf Jäger, seinen sozialdemokratischen Parteifreund Wolfgang Albers in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken, war zwingend und überfällig. Nur: Es ist sinnvoll, genau hinzuschauen, was Albers zu Recht und was ihm zu Unrecht vorgeworfen wird.

Richtig war die Amtsenthebung von Albers, weil er sich zu keinem Zeitpunkt als Herr der Lage gezeigt hat: weder vor noch in der Silvesternacht und schon gar nicht in den Tagen nach den Geschehnissen am Kölner Hauptbahnhof. Die Polizeiführung unterschätzte im Vorfeld das drohende Konfliktpotenzial, hatte also eine untaugliche Lageeinschätzung. Erneut waren – wie schon bei den Hooligan-Ausschreitungen im Oktober 2014 – viel zu wenige Einsatzkräfte vor Ort. Erneut kam es deswegen zu chaotischen Zuständen. Dafür trägt selbstverständlich Albers als Leiter der Kölner Polizeibehörde die entscheidende Verantwortung.

Verantwortung trägt er ebenfalls für das Kommunikationsfiasko in den Tagen nach dem Geschehen. Bei solch hochgradig emotionalisierenden Geschehnissen ist eine schnelle, umfassende, nichts beschönigende und – falls nötig – auch selbstkritische Unterrichtung der Öffentlichkeit das Gebot der Stunde. Stattdessen verkündete Albers noch fünf Tage nach Silvester: „Wir waren an dem Abend ordentlich aufgestellt; wir haben die Kräfte gehabt, die wir brauchten.“ Dass ein Polizeipräsident, der solch groben Unfug verkündet, nur schwer im Amt zu halten ist, dürfte nachvollziehbar sein.

Aber: Eine fatale Verkennung der Situation und eine katastrophale Kommunikationsstrategie sind nicht gleichzusetzen mit der Verbreitung von Un- oder Halbwahrheiten, wie es Albers ebenfalls unterstellt wird. Die Behauptung, er hätte die Herkunft der mutmaßlichen Täter verschleiert, ist schlicht unwahr. Angefangen von der Pressemitteilung der Kölner Polizei vom 2. Januar bis zu der verunglückten Pressekonferenz mit Oberbürgermeisterin Henriette ­Reker am 5. Januar wurde das „nordafrikanische“ Aussehen des Täterkreises stets benannt. Albers verwahrte sich allerdings gegen eine Kollektivkriminalisierung der überwiegend jungen Männer „aus dem nordafrikanisch-arabischen Raum“, die sich in der Spitzenzeit auf dem Bahnhofsvorplatz aufgehalten hatten: „Es gibt keine 1.000 Täter.“ Ein richtiger Hinweis, den jedoch allzu viele nicht hören wollen.

Im Gegensatz zu jetzt vielfach zu lesenden Behauptungen, berichteten Albers und der Leitende Polizeidirektor Michael Temme auf der Pressekonferenz auch darüber, dass es in der Silvesternacht etwa 100 „personenbezogene Maßnahmen“ gab, darunter „einige Ingewahrsamnahmen“ und „einige Festnahmen“. Die große Masse seien Identitätsfeststellungen gewesen, wobei sich viele der Betroffenen als Asylbewerber ausgewiesen hätten. Was Albers aber nicht machte: Er erklärte die kontrollierten Flüchtlinge nicht leichtfertig zu Tätern: „Allein dadurch, dass man überprüft worden ist, heißt das noch nicht, dass man Tatverdächtiger ist.“

Albers hat bis zuletzt auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien bestanden. Noch am Freitag, dem Tag seiner Amtsenthebung, schrieb er in einer Stellungnahme: „Solange die Polizei Menschen keine durch Fakten gestützten Tatvorwürfe machen kann, gilt hier in Deutschland die Unschuldsvermutung.“ Das mag manchen in der gegenwärtigen Hysterie nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Desto anerkennenswerter ist seine Haltung in diesen Tagen. Albers hat sich auch als Polizeipräsident stets als ein sozialliberaler Bürgerrechtler verstanden. In der Kölner Polizei mit ihrem bisweilen anachronistischen Korpsgeist hat er sich damit viele Feinde gemacht. Auch daran ist er gescheitert. Trotzdem: Er hat etliches falsch gemacht. Das nicht.

Übrigens: Von der Tätergruppe, die am vergangenen Samstag am Kölner Hauptbahnhof randaliert hat, heißt es, sie habe weit überwiegend aus jungen und nicht mehr ganz so jungen Männern bestanden, die mitteleuropäisch aussehen beziehungsweise aus dem mitteleuropäischen Raum stammen. Eine Bestätigung der Polizei steht allerdings noch aus.

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