Cannabis in Kreuzberg: „Wir müssen den Handel kontrollieren“

Friedrichshain-Kreuzberg darf keine Coffeeshops einrichten. Doch das will der Bezirk nicht hinnehmen. Horst-Dietrich Elvers, Autor des Coffeeshop-Antrags, erklärt, was er sich von einem Widerspruch erhofft.

Ohne Worte Foto: DPA

taz: Herr Elvers, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat den Kreuzberger Antrag auf Coffeeshops abgewiesen. Dagegen hat der Bezirk Widerspruch eingelegt. Warum?

Horst-Dietrich Elvers: Weil wir der Meinung sind, dass sich das Bundesinstitut inhaltlich nicht genug mit unserem Antrag auseinandergesetzt hat. Sie hätten zeigen müssen, dass unser Vorhaben eines regulierten Verkaufs von Cannabis nicht sinnvoll ist. Das haben sie aber nicht. Stattdessen wurden Allgemeinplätze aufgeführt. Das war uns zu platt.

Das Bundesinstitut argumentierte, der Verkauf von Cannabis widerspreche dem Schutzauftrag des Betäubungsmittelgesetzes. Insofern könne das Institut das Modellprojekt gar nicht genehmigen.

Das Institut sagt, wir würden Cannabis zu Genusszwecken verkaufen wollen. Damit unterstellt es dem Bezirksamt eine nicht zutreffende Motivation.

Sie werden kaum bestreiten, dass Cannabis dem Genuss dient ...

Wir wollen es aber nicht zu Genusszwecken verkaufen. Wir wollen den Verkauf von Cannabis, das zu Genusszwecken bereits im Umlauf ist, regulieren. Das ist ein großer Unterschied. Das Bundesinstitut ist, was den Cannabishandel angeht, offenbar noch nicht in der Realität angekommen. Es sagt: Kiffen ist gefährlich, wir müssen die Menschen davor schützen. Wir dagegen erkennen an, dass Cannabis bereits jetzt in Massen zu Genusszwecken verkauft wird. Das Zeug ist verboten, aber überall zu haben. Und deshalb müssen wir den Handel unter staatliche Kontrolle bekommen. Wir erfüllen also den Schutzzweck des Betäubungsmittelgesetzes.

Wen schützt ein regulierter Verkauf?

Wir wollen die Zielgruppe der unter 18-Jährigen vom Markt nehmen, sie würden in den Fachgeschäften kein Cannabis bekommen. Langfristig wäre das Ziel, den Schwarzmarkt auszutrocknen, sodass Jugendliche auch dort kein Gras mehr kaufen könnten. Außerdem sollen Käufer über Risiken informiert werden, wir wollen aufklären und die Prävention deutlich stärken. Wir wollen den Gesundheitsschutz sicherstellen, das ist schließlich unser gesetzlicher Auftrag. Wir haben auch gesagt: Der Konsum von Cannabis darf sich durch unser Modellprojekt nicht wesentlich erhöhen. Sollte das doch passieren, dann brechen wir das Projekt ab.

Wie wollen Sie messen, ob die Menschen mit Coffeeshop mehr kiffen als ohne?

Das Modellprojekt müsste mit Studien begleitet werden, man müsste auch Sekundärdaten, beispielsweise von der Polizei, mit auswerten, um das zu beurteilen. Das ist eine Frage der wissenschaftlichen Begleitung, die wir mit eingeplant haben.

Das Bundesinstitut hat auch gesagt: Sollte das Verbot von Cannabis keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr haben, dann müsse darüber der Gesetzgeber entscheiden, nicht eine Behörde. Mal ehrlich: Gehört eine so grundlegende Entscheidung wie der Verkauf von Cannabis nicht in den Bundestag?

Ja, die Legalisierung von Cannabis in Deutschland gehört in den Bundestag. Wir wollen aber keine generelle Legalisierung, sondern ein Modellprojekt zur Überprüfung der Effekte einer regulierten Abgabe auf einem Teilmarkt, nämlich hier in Friedrichshain-Kreuzberg. Das ist etwas völlig anderes. Das Bundesinstitut redet mit uns immer, als wollten wir die große Legalisierung. Die trauen uns nicht.

Sie haben nur das Modellprojekt beantragt. Aber natürlich wären Coffeeshops in Friedrichshain-Kreuzberg Vorreiter auf dem Weg zur Legalisierung. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann hat das Projekt selbst so eingeordnet.

Sicher, man kann das politisch so deuten. Es ist korrekt, dass die Grünen da eine klare Linie und ein klares Interesse haben. Das kann aber nicht Maßstab sein bei der Bewertung unseres Modellprojektes. Das Bundesinstitut muss sich mit unserem konkreten Antrag befassen. Alles andere ist juristisch nicht haltbar.

Die Behörde ist dem CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe unterstellt. Selbst wenn die Beamten Ihren Antrag guthießen, würde Gröhe die Genehmigung sicher verhindern. Weil es eben doch eine politische Entscheidung ist. Oder nicht?

1997 hat Schleswig-Holstein ein ähnliches Projekt beantragt, da hat der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) in der Presse gesagt, so etwas werde es mit ihm nicht geben. Er hat also klar Einfluss ausgeübt. Ob Herr Gröhe ähnlich agiert, weiß ich nicht, das wäre Spekulation. Man hofft ja irgendwo auch, dass jenseits der Parteilinien Argumente sachlich beurteilt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht selbst Interesse hat an so einem Modellprojekt. Die dort arbeiten, sind schließlich Fachleute.

Wie geht es nun weiter?

Wir warten jetzt die Stellungnahme des Bundesinstituts ab. Je nachdem, was da drin steht, entscheiden wir, ob wir klagen oder nicht.

Und wenn Sie auch damit scheitern, war dann der ganze Aufwand umsonst?

Überhaupt nicht. Wir haben die Diskussion über Drogenpolitik in Deutschland positiv beeinflusst. Wir wollen auch nicht einfach sagen: Das war es jetzt. Im Gegenteil: Wir hoffen, dass andere Kommunen mit einsteigen und selbst Anträge stellen. Vielleicht können wir auch ein übergreifendes Projekt machen. Da kann ich mir noch viele Optionen vorstellen.

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