Flüchtlingsquartier in Hamburg-Klein Borstel: Baustopp zunächst vom Tisch

Das Flüchtlingsquartier im Hamburger Stadtteil Klein Borstel kann weiter gebaut werden. Das Bezirksamt-Nord erteilt eine Baugenehmigung.

Demonstration für den Bau eines Flüchtlingsheims in Klein Borstel. Foto: Daniel Bockwoldt/taz

HAMBURG taz | Der Rechtsstreit über den Baustopp für das Flüchtlingsquartier Am Anzuchtgarten in Klein Borstel vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) ist zu Ende – die Bauarbeiten können vorerst fortgesetzt werden. „Der Rechtsstreit ist von beiden Parteien für erledigt erklärt worden“, sagt OVG-Sprecher Andreas Lambiris. Der Grund: Weil das Bezirksamt Nord eine Baugenehmigung erteilt hat, die sofort vollzogen werden kann, sei eine neue rechtliche Ebene eingetreten; das Verfahren obsolet.

Die Sozialbehörde hatte ursprünglich den Bau der insgesamt 13 zwei- und dreigeschossigen Gebäude in Container-Modulbauweise auf das Sicherheits- und Ordnungsgesetz gestützt, um bis zum Frühjahr 700 Menschen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Der erste Bauabschnitt für 250 Menschen sollte schon Ende dieses Jahres bezugsfertig sein. Diese Art der Bebauung widersprach aber dem gültigen Bebauungsplan „Ohlsdorf 12“ aus dem Jahre 2005, dessen erklärtes Ziel es gewesen war, „nicht zu stark verdichtete Wohnflächen für Familien mit Kindern zu schaffen, um auf diese Weise der Stadtflucht entgegenzutreten“. Deswegen waren auf dem Areal Am Anzuchtgarten „nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen“ zulässig.

Das Verwaltungsgericht stoppte daher auf Antrag von vier Anwohnern den Bau Ende Oktober, da ein förmliches Baugenehmigungsverfahren nicht stattgefunden hatte. Klein Borstel stand vor einer Zerreißprobe. Denn gegen den Baustopp demonstrierten zwei Wochen später fast 1.000 Menschen, die sich schon zuvor für die Flüchtlingsunterkunft stark gemacht hatten. „In einer Notsituation muss man den Eigennutz gegenüber dem Wohl anderer zurückstellen“, sagte die Schülerin Stella Köhler, die die Demonstration mit organisiert hatte.

Inzwischen hat der Bezirk dem eilig von Sozialbehörde und dem städtischen Träger Fördern & Wohnen gestellten Bauantrag stattgegeben. „Es gibt eine Baugenehmigung“, sagt Bezirksamtssprecherin Katja Glahn. Ein Anwohner-Widerspruch sei zwar eingegangen, habe aber keine aufschiebende Wirkung. „Dagegen kann wieder ein Eilantrag gestellt werden, aber es geht wieder vorm Verwaltungsgericht los“, erläutert OVG-Sprecher Lambiris.

Gegen die Baugenehmigung kann wieder ein Eilantrag vorm Verwaltungsgericht gestellt werden

Einen derartigen Eilantrag hat der Anwalt Gero Tuttlewski bereits dem Hamburger Abendblatt angekündigt. „Wir sind jedoch optimistisch, dass die erteilte Baugenehmigung einer rechtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht standhalten wird“, sagt Anselm Sprandel, Flüchtlingskoordinator der Stadt. Immerhin habe das Oberverwaltungsgericht bescheinigt, dass die Behörde gegen den erstinstanzlichen Baustopp-Beschluss beachtliche Argumente vorgetragen habe.

Aktuell ist die Hamburgische Bauordnung vom rot-grünen Senat dahingehend geändert worden, dass auch der vorzeitige Baubeginn zugelassen werden kann, ohne dass das förmliche Baugenehmigungsverfahren schon abgeschlossen ist. Es sei keine „bauaufsichtliche Zulassung“ nach dem Baugesetzbuch, gegen die Anwohner klagen könnten. Dennoch empfiehlt der Senat den Bezirksämtern, schon den Bescheid über die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns mit einer „Anordnung der sofortigen Vollziehung“ zu versehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.