Attentate in der Türkei: Syrischer Filmemacher ermordet

Nadschi Dscherf, der die Gräueltaten des „Islamischen Staates“ in Nordsyrien dokumentierte, wurde am Sonntag im Zentrum von Gaziantep erschossen.

Mann mit Bart: Nadschi Dscherf.

Am Sonntag erschossen: der syrische Filmemacher Nadschi Dscherf. Foto: @Raqqa_SL

ISTANBUL taz | Nadschi Dscherf, ein bekannter oppositioneller syrischer Filmemacher, ist am Sonntag in der türkischen Stadt Gaziantep ermordet worden. Er wurde von einem Killer mitten am Tag auf einer belebten Straße im Stadtzentrum erschossen. Nach Zeugenaussagen sprang der Mörder aus einem Auto und schoss ihn in den Kopf. Nadschi Dscherf, 38 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern, starb anschließend im Krankenhaus.

Nadschi Dscherf gehörte zu einer Gruppe von Bürgerjournalisten, die seit über einem Jahr aus dem vom sogenannten „Islamischen Staat“ kontrollierten Gebieten in Nordsyrien berichten. Die meisten stammen aus Rakka weshalb die Gruppe sich „Rakka wird still abgeschlachtet“ (RBSS) nennt.

Nadschi Dscherf war so etwas wie der Filmdirektor der Gruppe. Er hatte bereits zwei Dokumentarfilme über den IS heimlich gedreht und arbeitete noch an einem dritten Film, in dem es um die Situation von Oppositionellen in Aleppo gehen sollte.

Weil Nadschi Dscherf sich in Syrien seines Lebens nicht mehr sicher war, flüchtete er in die Türkei. Doch auch die Türkei erweist sich immer mehr als Operationsgebiet des IS. Gaziantep ist eine Millionenstadt unweit der syrischen Grenze die von IS-Anhängern völlig durchsetzt ist. Es kommt vor, dass der IS in Gaziantep mit wehenden schwarzen Fahnen durch die Straßen fährt, ohne von der türkischen Polizei belästigt zu werden.

Dscherf ist nicht das erste Opfer

Zwar ermittelt die Polizei jetzt wegen des Mordes an Nadschi Dscherf, doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter gefunden werden ist sehr gering. Denn Dscherf ist nicht der erste prominente syrische Oppositionelle, der in der Türkei vom IS ermordet wurde.

Bereits im Oktober wurden zwei Mitglieder von RBSS in der anderen türkischen Großstadt an der Grenze, in Urfa, vom IS ermordet. Ibrahim Abdul Kadar und Fares Hamadi wurden in Urfa entführt und geköpft. Der IS stellte ein Video ins Internet und drohte allen Mitgliedern von RBSS, man werde sie verfolgen und ermorden. Ihre Mörder sind nach wie vor auf freiem Fuß, die Polizei hat bis jetzt niemanden festgenommen.

Nadschi Dscherf wusste deshalb längst, dass er auch in Gaziantep nicht in Sicherheit ist. Er hatte bereits ein Visum und eine Asylzusage aus Frankreich und wollte nach Angaben von Freunden noch in dieser Woche mit seiner Familie nach Paris abreisen.

Die türkische Polizei führt zwar immer mal wieder Razzien gegen vermeintliche konspirative Wohnungen des IS durch und nimmt dabei auch Leute fest, doch nach wie vor hält sich in der Türkei der Eindruck, dass die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan die Verfolgung des „Islamischen Staates“ nicht ernsthaft betreibt.

Stattdessen konzentrieren sich Polizei und Militär seit Monaten auf die kurdische PKK und deren Sympathisanten. Bei der seit zwei Wochen andauernden Großoffensive in den kurdisch bewohnten Gebieten der Türkei sind bereits mehr als 200 Menschen getötet worden.

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