Türkisch-russischer Konflikt: Irak wird zum Schauplatz

Moskau und Ankara streiten wegen der Entsendung türkischer Soldaten in den Irak. Putin schickt zusätzliche Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer.

Der russische Lenkwaffenkreuzer «Moskwa» fährt bei Istanbul durch den Bosporus ins Mittelmeer.

Der russische Lenkwaffenkreuzer „Moskau“ bei der Fahrt durch den Bosporus (Archivbild von 2014). Foto: dpa

ISTANBUL taz | Der Druck Russlands auf die Türkei aus Ärger über den Abschuss eines russischen Kampfbombers nimmt immer mehr zu. Bereits vor einigen Tagen hatte Präsident Wladimir Putin gedroht, sein Land werde es gegenüber der Türkei nicht bei ökonomischen Sanktionen belassen. Allmählich wird deutlicher, wie dies aussehen könnte.

Ende letzter Woche wurde die Türkei von der Regierung in Bagdad zu ihrer Überraschung ultimativ aufgefordert, türkische Truppen im Nordirak, die dort kurdische Perschmerga-Kämpfer gegen den „Islamischen Staat“ (IS) für eine Rückeroberung der Stadt Mossul trainieren, sofort aus dem Irak abzuziehen. Anlass war nach türkischen Angaben eine Truppenrotation, bei der alte durch frische Einheiten ersetzt und dabei zahlenmäßig aufgestockt werden sollten.

Die Aufstockung, zu der auch ein Panzerverband gehören sollte, begründete die türkische Seite mit einer erhöhten Gefährdung der Ausbilder, die geschützt werden müssten.

Iraks Ministerpräsident Haider al Abadi drohte daraufhin, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, wenn die Türkei ihre Truppen nicht bis Dienstagabend abzieht. Am Montag machte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu einen Rückzieher und sagte, man werde die zusätzlichen Truppen zunächst an der Grenze positionieren, bis der Streit mit Bagdad geklärt sei.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die irakische Regierung und die Kurden aufgerufen, die Einheit des Landes zu wahren. Dies sei gerade mit Blick auf den gemeinsamen Kampf gegen die radikal-islamische IS-Miliz nötig, sagte er am Dienstag in Erbil.

Die Bundesregierung werde die militärische Hilfe für die kurdischen Peschmerga im Nordirak auch weiter über die Regierung in Bagdad abwickeln, sagte Steinmeier nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Kurden im Nordirak, Massud Barsani. Das Verhältnis zwischen den Kurden und der Führung in Bagdad solle nicht unnötig verkompliziert werden.

Er setze darauf, dass die Verteilung der Öleinnahmen einvernehmlich geregelt werde, sagte Steinmeier. Dies sei der Kern des Problems. „Ansonsten bin ich kein Freund von neuen Grenzziehungen im Mittleren Osten“, fügte er mit Blick auf eine Abspaltung der Kurdengebiete hinzu. Dies würde zur Lösung nicht viel beitragen. (rtr)

Der Präsident des kurdischen Autonomiegebietes, Masud Barsani, auf dessen Territorium die türkischen Soldaten, ähnlich wie die Bundeswehr, Peschmerga-Truppen ausbilden, erklärte das Ganze zu einem Missverständnis. Barsani wird am Mittwoch in Ankara erwartet.

Gezielter russischer Druck

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Krise wohl kaum um ein Missverständnis, sondern um gezielten Druck Russlands. Wohl auf Bitten Putins hatte Iran in Bagdad darauf gedrängt, dass die türkischen Soldaten aus dem Nordirak abgezogen werden. Die Regierung in Bagdad kooperiert eng mit dem Regime in Teheran und Iran und Russland bilden eine gemeinsame Front zur Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Der plötzliche Ärger, den die Türkei nun im Irak hat, dürfte deshalb ein Teil der russischen „Rache“ sein.

Türkische Medien berichteten in den vergangenen Tagen mehrfach über Äußerungen russischer Parlamentarier, die davon sprechen, die Türkei durch die Unterstützung der kurdischen PKK und Armeniens weiter unter Druck zu setzen. Das könnte der Hintergrund dafür sein, dass kurdische YPG-Milizen in Syrien, die mit der PKK verbündet sind, türkischen Drohungen zum Trotz den Euphrat nach Westen hin überschritten und dort jetzt Kämpfe mit turkmenischen und islamistischen Milizen ausfechten, die wiederum von der Türkei, Saudi-Arabien und den USA unterstützt werden.

Gestern wurde außerdem bekannt, dass Russland als weitere Drohkulisse Kampfhubschrauber an die türkische Grenze in Armenien verlegen will. Außerdem werden zusätzliche russische Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt. Dabei kam es am Wochenende zu einem Eklat, weil auf dem Deck eines russischen Kriegsschiffes während der Durchfahrt durch den Bosporus Soldaten mit Flugabwehrraketen auf der Schulter platziert worden waren.

Forderung nach Bosporus-Durchfahrverbot

Seitdem werden in der Türkei Stimmen lauter, die fordern, die Meerengen des Bosporus und die Dardanellen, die russische Schiffe aus dem Schwarzen Meer auf dem Weg ins Mittelmeer passieren müssen, für russische Kriegsschiffe vorübergehend zu sperren. Die Sperrung des Bosporus allerdings wäre ein so massiver Eskalationsschritt, dass die USA wohl alles tun werden, um die türkische Regierung davon abzuhalten.

Zur Rettung einer gemeinsamen Front gegen den IS versucht US-Präsident Obama verzweifelt, Putin und Recep Tayyip Erdoğan an einen Tisch zu bringen. Ein erstes Treffen des türkischen und russischen Außenministers am Rande einer OSZE-Konferenz blieb am Wochenende ergebnislos.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.