Energiesparziele werden nicht entschärft: Standhaft gegenüber Baulobby

Mit dem Argument der vielen Flüchtlinge kämpft die Ziegelbranche gegen Effizienzvorgaben für Neubauten. Doch die treten wie geplant in Kraft.

Baustelle eines Mehrfamlienhauses

Fragwürdige Argumente für weniger Dämmung: Neubauprojekt in Berlin Foto: dpa

FREIBURG taz | Die Bauministerien der Bundesländer haben sich mehrheitlich einem Vorstoß der Baulobby widersetzt: Die bereits beschlossenen Standards der Energieeinsparverordnung 2016 (EnEV) werden nicht angetastet, der Energieverbrauch von Neubauten wird zum Jahreswechsel gegenüber den bisherigen Anforderungen wie geplant um bis zu 25 Prozent gesenkt.

Allerdings fordern die Landesminister das Bundesbauministerium auf, bis Mitte 2016 Vorschläge für eine Neukonzeption von EnEV und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zu erarbeiten und diese dann einer Sonderkonferenz der Bauminister vorzulegen.

Im Vorfeld der Entscheidung von Freitag mittag hatte ein Schreiben des Bayerischen Ziegelindustrieverbandes für Aufsehen gesorgt. In diesem macht sich die Industrielobby dafür stark, die neuen Bauvorschriften bis zum Jahr 2021 auszusetzen. „Die sich jetzt bietende Gelegenheit dürfen wir nicht verstreichen lassen“, schreibt der Verband – und meint damit offensichtlich die Debatte um die notwendig Schaffung von Wohnraum wegen der hohen Flüchtlingszahlen.

Der wahre Grund liegt auf der Hand: Die Ziegelindustrie fürchtet die neuen Effizienzvorgaben, weil der Wärmeschutz von Ziegeln begrenzt ist. Tobias Austrup von der Umweltorganisation Greenpeace kritisierte daraufhin: „Die Ziegelindustrie missbraucht die Flüchtlingsdebatte“, dies sei „schäbigster Lobbyismus“.

Auch Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, beklagte, dass „unter dem Deckmantel der steigenden Flüchtlingszahlen“ einige Baupolitiker die wirtschaftlichen Gewinninteressen der Wohnungsbauwirtschaft vor den Klimaschutz stellen wollten. Zugleich warnte die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (Deneff) vor einem „kurzsichtigen Rummogeln an Baustandards“. Alle Akteure hätten sich bereits auf die längst verabschiedete Neufassung eingestellt.

„Schäbiger Versuch der Bauwirtschaft“

Das nun erfolgte Bekenntnis der Minister zur Rechtsverbindlichkeit findet auch in der Opposition des Bundestags Unterstützung: Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Grünen, begrüßte die „eindeutige Botschaft der Bauminster ausdrücklich“ und sprach von einem „schäbigen Versuch der Bauwirtschaft“, sich aus ihrer Verantwortung für den Klimaschutz zu stehlen.

Die zuvor erhobene Forderung der Wohnungsbauwirtschaft, vor Jahren beschlossene Standards ab Januar auszusetzen, seien absurd: „Kein Gebäude wird schneller fertig, nur weil ein paar Zentimeter weniger Dämmstoff verwendet werden.“ Energetisch minderwertige Schrottimmobilien würden hingegen schnell zur Kostenfalle: „Wenn Kommunen die Heizkosten der Bewohner übernehmen, wird das am Ende sogar zur Belastung für die Steuerzahler.“

Wenn man die Baukosten ernsthaft senken wolle, gebe es bessere Ansätze, zum Beispiel die Reduzierung der Stellplatz-Anforderungen für Pkw.

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