Radiokonform geht anders

POP Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf und der ehemalige Wir-sind-Helden-Bassist Mark Tavassol sind Das Duo Gloria

Gut, man muss das erwähnen. Ja, klar, Klaas Heufer-Umlauf ist hauptberuflich Fernsehmoderator. Oder, wie er selbst sagt: „Knallkopp“. Doch dass er Musik macht zusammen mit Mark Tavassol, der früher bei Wir sind Helden den Bass spielte, und dass ihre gemeinsame Band Gloria nun ein zweites Album namens „Geister“ vorlegt, das ist dann doch keine Überraschung mehr.

Eine Überraschung ist es höchstens noch, wie wenig Wellen das schlägt. Das Albumdebüt der beiden, die schon lange Freunde sind und fast schon ebenso lange zusammen Musik machten, bevor sie sich damit an die Öffentlichkeit wagten, erreichte vor zwei Jahren gerade mal Platz 84 der deutschen Charts und war nach nur einer Woche schon wieder aus der Hitliste verschwunden. Ein ernüchterndes Ergebnis, bedenkt man die Prominenz der beiden Protagonisten. Andererseits erklärbar: Denn der in Hamburg lebende Tavassol und der Wahlberliner Heufer-Umlauf befriedigen auch auf „Geister“ keine der Erwartungshaltungen, die ihre bisherigen Fans an sie richten könnten.

Stoischer Rock-Pop

Statt hektisch-hoppelig zu klingen wie Wir sind Helden, spielen Gloria unaufgeregten, ja seelenruhigen Pop-Rock. Auf „Geister“ fast noch stoischer als auf ihrem ersten Album. Immer kontrolliert, aber unter der Oberfläche brodelnd wirkt das, mit nahezu klassisch anmutender Instrumentierung, Gitarren und Klavier, Schlagzeug und gelegentlichem Cello.

Die Melodien, die Heufer-Umlauf mit recht tonloser, trotzdem aber markanter Stimme singt, sind stets melancholisch. Das „Mittelpunktsbedürfnis und ein gewisses Maß an Egozentrik“, das er sich selbst als TV-Moderator bescheinigt, weichen einer sehr zurückhaltenden Präsenz.

Bewusst mit den Erwartungen zu spielen, behaupten die beiden im Gespräch in einem Büro über den berühmten Hansa-Studios, mache zwar Spaß, sei aber nie die Absicht von Gloria gewesen. „Ich mache Gloria nicht, um endlich mal den ernsten Klaas präsentieren zu können“, sagt Heufer-Umlauf. Aber die Abkehr vom Klischeebild ist schon dramatisch, wenn man die Texte hört. Die haben so gar nichts damit zu tun, was der 31-jährige „Circus HalliGalli“-Star im Fernsehen mit seinem Partner Joko Winterscheidt veranstaltet.

Keine Kaspereien, stattdessen poetische Auseinandersetzungen mit der eigenen Vergänglichkeit, lyrische Einlassungen über Enttäuschungen und Erwartungshaltungen, über Unmöglichkeiten und Hoffnungen. Es geht um Kleider, die zu schwer geworden sind, und die Haut, die man tauschen möchte, um Geister, die einen so lange jagen, bis man ihnen endlich ähnlich geworden ist.

Wenn man will, kann man das Album auch biografisch verstehen und lesen als Bekenntnis eines Medienmenschen oder eines bekannten Musikers, der an seiner Prominenz leidet. Oder vielleicht ist „Geister“ auch ein Konzeptalbum, das das Psychogramm einer Gesellschaft zeichnet, in der der Einzelne im Hamsterrad der Selbstoptimierung feststeckt? Gern auch das, sagen Heufer-Umlauf und Tavassol, sie sind für alle Interpretationen offen, aber gemeint war es so nicht.

Tatsächlich sind die Texte, die die beiden zusammen verfassen, denkbar kryptisch. Damit müsse man leben, sagt Tavassol, wenn man sich „nicht dem Diktat der Radiokonformität unterwerfen“ wolle. Es gibt immer einen Ausgangspunkt, erklären die beiden, aber von dem ist nach Monaten der Bearbeitung bisweilen dann nicht mehr viel übrig.

So bleiben Songs, die eine denkbar breite Identifikationsfläche bieten, und immer wieder schöne Sätze wie „Leben ist das, was passiert, wenn du woanders so beschäftigt bist“, die man erst mal singen können muss. Vor allem aber wohl sind diese Texte, die kaum Ironie kennen, aber manchmal dafür so weise wie leise sind, eine weitere Erklärung dafür, warum die Summe bisweilen nicht größer ist als die einzelnen Teile und die Band Gloria lange nicht so berühmt wie ihre beiden ständigen Mitglieder. Thomas Winkler

Gloria: „Geister“ (Grönland/ Rough Trade); live am 18. Oktober im Astra