Kommentar Einigung Griechenland: Demokratie gibt es nur für Geld

Die europäische Politik ist so dysfunktional wie eh und je. Das zeigt auch die Entmachtung Griechenlands: Das Europa, das wir nicht wollen.

Eine Frau geht vor einem Grafitti „What's next???“

Demnächst kann hier noch nicht einmal eine Gesetzesvorlage autonom beschlossen werden. Foto: dpa

Der 13. Juli 2015 ist kein historischer Tag geworden. Europa hätte aufwachen können mit der Nachricht: Sie habe sich nicht geeinigt. Folglich fliegt Griechenland aus dem Euro. Grexit. In dystopischen Exkursen hätte man sich ausmalen können, wie dieses Datum den Verfall der Europäische Union auslöst.

Stattdessen gibt es nun doch eine Einigung. Also durchatmen, der größte Wahnsinn ist abgewendet. Der normale Wahnsinn bleibt. Was diesen Montag zu einem relativ banalen Vertreter seiner Spezies macht. Denn eines ist gewiss: Es war nicht der Tag, an dem sich Europa gerettet hat. Sondern einer, an dem alles so dysfunktional blieb, wie es ist.

Was neu ist, ist ein Aufschrei. Was auch immer aus ihm folgen mag: Unter #This­IsACoup twitterten sie gestern weltweit ihren Frust über Wolfgang Schäuble und die deutsche Politik heraus. Der Hashtag heißt übersetzt: „Das ist ein Staatsstreich“, gemeint waren die erniedrigenden Bedingungen, unter denen Griechenland jetzt neues Geld bekommen soll.

Ist ja schön, dass in den sozialen Netzwerken sperrige Themen hohe Wellen schlagen, aber hey: Das ist europäische Politik, seit Jahren. Schön, dass es jemand merkt: In Athen ist das Parlament, sollte es den Bedingungen zustimmen, entmachtet. Die Volksvertreter sollen selbst Gesetzesvorlagen erst sehen, nachdem die Troika ihr Plazet erteilt hat. Wer sich überschuldet, verliert seine Souveränität. Demokratie gibt es nur für diejenigen Staaten, die ihr Geld auf den Kapitalmärkten bekommen.

War diese Politik alternativlos? Natürlich nicht. Niemand bestreitet, dass Athens Steuerverwaltung nicht funktioniert, der Staatsapparat aufgebläht ist, die Reichen Steuern hinterziehen. Wahrscheinlich hätten die Griechen hier Hilfe dankend angenommen, müssten sie sich nicht gleichzeitig weiter kaputtsparen. Trotz eines möglichen dritten Hilfspakets: Die Daumenschrauben zum eisernen Sparen bleiben angelegt – obwohl längst von Gläubigern wie dem IWF selbst als widersinnig entlarvt.

Jetzt bekommen die Griechen die Reformen aufgedrückt. Tiefgreifend ändern wird es das Land nicht: Einen Staat ins soziale Elend stürzen und gleichzeitig mit vorgehaltener Waffe (Grexit) in ein Protektorat verwandeln, schafft keine Zukunft. Was der 13. Juli 2015 gezeigt hat, ist das Europa, das wir nicht wollen.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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