Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer: Rasend schnelles Rollenspiel

Verdienter Gewinn in Klagenfurt: Nora Gomringer entlarvt in ihrem Stück den Literaturbetrieb – und das Publikum gleich mit.

Porträt Gomringer

Nora Gomringer bei der Preisverleihung in Klagenfurt. Foto: dpa

KLAGENFURT taz | Dem Applaus war es fast anzuhören, am ersten Tag im Klagenfurter ORF-Studio, dass Nora Gomringer den Bachmann-Preis gewinnen würde. Bravo-Rufe trotz Hitze, euphorisches So-muss-das-sein-hier-Getuschel – und das, obwohl sie erst die Zweite war, die las. „Ist das Mikro an? Test, Test“, so beginnt ihr Text „Recherche“. „Mein Name ist Nora Bossong, ich schreibe einen Text beziehungsweise Shit.“

Nora Bossong: Da wird direkt gelacht. Weil Nora Bossong neben demselben Vornamen wie Gomringer denselben Beruf hat; Bossong ist Schriftstellerin – und bekannt, längst nicht nur in Kärnten. Gomringer, 35, ist ihrerseits Direktorin des Bamberger Künstlerhauses Villa Concordia und bisher vor allem als Lyrikerin vielfach ausgezeichnet.

Das Stück nun, „Recherche“, ist also ein Rollenspiel. Jemand im Literaturbetrieb gibt sich als jemand anderes im Literaturbetrieb aus – und entlarvt so, Stück für Stück: den Literaturbetrieb. Der Wettbewerb kommt vor, die Jury kommt vor, das Publikum kommt vor, alle machen unfreiwillig mit und werden hineingesogen in eine Geschichte, mit der sie lieber nichts zu tun hätten: In einem Hochhaus recherchiert Bossong für ihren neuen Roman. Ein dreizehnjähriger Junge hat sich vom Balkon gestürzt. Jetzt klappert Bossong die Stockwerke und die Nachbarn ab. Kannten Sie den Jungen? Was wissen Sie über den Vorfall?

Dass die traurige Wahrheit in Gomringers Text viel Komik hat, ist eigentlich sonderbar – und rasend schnellen Perspektivwechseln zu verdanken. Eine „einzigartige Stimmenpolyphonie“ nannte die Jury am Sonntag auch Nora Gomringers Werk, bevor sie ihr den Bachmann-Preis in Höhe von 25.000 Euro verlieh.

Alles andere als Trostpreise sind der Kelag-Preis über 10.000 Euro sowie der BKS-Bank-Publikumspreis über 7.000 Euro, den Valerie Fritsch für ihre Erzählung über einen Mann erhielt, der sein Bein verliert. An Dana Grigorcea ging der mit 7.500 Euro dotierte 3sat-Preis. Ihr Roman spielt im Rumänien nach der Ceaușescu-Diktatur.

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