Mers in Südkorea: Informationen unter Quarantäne

Südkorea hält Informationen über Mers zurück. Aus Angst fügen sich Journalisten in den Maulkorb. Mit fatalen Folgen.

Männer in Schutzanzügen säubern Kinosaal in Südkorea

Der Kampf gegen Mers ist auch ein Kampf der Informationen. Foto: dpa

SEOUL taz | Als der südkoreanische Abgeordnete Ahn Cheol Soo am Samstagmorgen das Gesundheitsministerium betreten wollte, stand er vor verschlossenen Türen. „Ich konnte spüren, wie die Regierung versucht, den Zugang zu Informationen zu blockieren“, wetterte der Oppositionspolitiker wenige Stunden später auf seinem Twitter-Account. Er sei von einer öffentlichen Pressekonferenz abgewiesen worden, die zudem ausgerechnet auf jenen Tag in der Woche gelegt wurde, an dem die meisten Printjournalisten dienstfrei haben.

Im Ministerium präsentierte indes die Mers-Untersuchungskommission der Weltgesundheitsbehörde WHO ihre Ergebnisse – ohne die Anwesenheit Ahns, doch mit ganz ähnlicher Kritik an der Regierung: Sie habe darin versagt, die Öffentlichkeit ausreichend über den Mers-Ausbruch zu informieren. Dies sei einer der Gründe, warum sich das Virus in Südkorea derart rasant und flächendeckend verbreiten konnte.

Bislang hat die Atemwegserkrankung im Land am Han-Fluss 23 Leben gefordert und weitere 165 Menschen befallen. Während die Behörden einen Monat nach der ersten Diagnose weiterhin gegen den größten Mers-Ausbruch außerhalb Saudi-Arabiens kämpfen, kämpft die Zivilgesellschaft um freie Information.

Zwar schloss die Regierung vorübergehend knapp dreitausend Schulen, riet der Bevölkerung zu Atemschutzmasken und stellte gar koreanische Zoo-Kamele unter Quarantäne, doch die Namen der betroffenen Krankenhäuser des Landes, auf die sich der Virus-Ausbruch bislang ausschließlich beschränkt, hielt sie über zwei Wochen lang geheim – auch, um den finanziellen Verlust für die privat geführten Institutionen möglichst gering zu halten.

Die Zeitungsredaktionen beschwerten sich einerseits über das Informationsembargo der Regierung, doch hielten sich gleichzeitig an den verordneten Maulkorb. Aus gutem Grund: Rufschädigung kann in Südkorea mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden. Acht Koreaner wurden deshalb bereits verhaftet, fünf von ihnen sollen auf Twitter Namen von Krankenhäusern verbreitet haben, in denen Mers-Infizierte behandelt wurden.

Einschüchterung von Kritikern

Trotz der gesetzlichen Härte wurde das Informationsvakuum schon bald mit Gerüchten und Paranoia gefüllt. Selbst altgediente Kolumnisten der konservativen – und für gewöhnlich regierungsfreundlichen – Presse schrieben in Leitartikeln, dass sie den Angaben staatlicher Behörden nicht über den Weg trauten und für verlässliche Fakten zur Auslandspresse greifen müssten.

Bislang gab sich keiner der demokratisch gewählten Staatsoberhäupter Südkoreas derart medienscheu wie die amtierende Präsidentin Park Geun Hye: Inmitten ihrer fünfjährigen Regierungsperiode hat die konservative Politikerin bislang nur zwei Pressekonferenzen gegeben und heimischen Zeitungen sämtliche Interviewanfragen verwehrt. Gleichzeitig wurden während ihrer Amtszeit immer wieder Regierungskritiker mit Verleumdungsklagen eingeschüchtert.

Seit Montag muss sich nun Seouls Bürgermeister Park Won Soon vor Gericht verantworten: Anfang des Monats forderte er die Regierung dazu auf, endlich mehr Informationen preiszugeben. Gleichzeitig behauptete er, dass ein Mers-infizierter Doktor an einer Konferenz mit über tausend Besuchern teilnahm. Eine Ärztevertretung hat den Politiker daraufhin wegen Rufschädigung angeklagt. Seither sind seine Umfragewerte auf einem Rekordhoch.

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