TTIP-Debatte in den USA: Alter Trick Fast Track

US-Präsident Obama will das Freihandelsabkommen am Kongress vorbei durchdrücken. Doch der will sich nicht kampflos ergeben.

US-Präsident Obama sitzt erschöpft vor der US-Flagge

Was so ein paar Jahre Amtszeit doch ausmachen: Aus dem Hoffnungsträger der Linken wird der Buhmann der TTIP-Kritiker Foto: ap

WASHINGTON taz | Senator Bernie Sanders ist einer der Rebellen, die sich partout nicht dem Wunsch von US-Präsident Barack Obama beugen wollen. „Anstatt den Lebensstandard der Arbeiter in den USA weiter nach unten zu drücken, sollten wir den Armen im Rest der Welt nach oben helfen“, sagt er.

Zwei Millionen Menschen aus den USA haben an ihre Abgeordneten geschrieben. Sie wollen verhindern, dass nach dem Senat auch noch das Repräsentantenhaus dem „Fast Track“ zustimmt, mit dem Freihandelsabkommen im Schnellverfahren durchgedrückt werden können.

Damit würde sich der US-Kongress für die nächsten sechs Jahre jeder Möglichkeit berauben, den Inhalt der geheim ausgehandelten Abkommen – etwa das mit den Pazifik-Anrainerstaaten (TPP) und das mit der EU (TTIP) – zu verändern oder zu debattieren. Die Abgeordneten könnten nur noch Ja oder Nein zu den fertigen Abkommen sagen.

Gewerkschaften und Umweltschützer im Schulterschluss

In Europa dagegen stimmt das EU-Parlament am Mittwoch über seine Position zu TTIP ab. Das Bündnis „Stopp TTIP“ hat in der EU zwei Millionen Stimmen gegen das Abkommen gesammelt.

In den USA fordert die Stahlarbeitergewerkschaft USW unter dem Slogan „Jetzt oder nie“ ihre Mitglieder auf, gegen Fast Track einzutreten. Der AFL-CIO, der größte Gewerkschaftsverband des Landes, erklärt, dass die Freihandelsabkommen die Beschäftigten in den USA in eine Konkurrenz treibt, bei der sie nur verlieren können. Anders als in Europa haben sich in den USA große Gewerkschaften gegen neue Freihandelsabkommen positioniert, unterstützt von Bürgerrechtlern oder Umweltverbänden. Gemeinsam haben weite Teile der US-Öffentlichkeit überzeugt.

Doch während der Freihandel in der Bevölkerung immer unpopulärer wird, bewegen sich US-Regierung und Abgeordnete beider Parteien in Washington zielstrebig auf die geplanten Abkommen zu.

Zehn fehlende Stimmen

Bereits Ende Mai hat der Senat das Schnellverfahren Fast Track angenommen. In Kraft treten kann es aber erst, wenn auch das Repräsentantenhaus zustimmt. Dessen republikanischer Chef, John Boehner, hat die Abstimmung nicht auf seine Tagesordnung gesetzt, weil Fast Track keine Mehrheit hat. Zehn Stimmen fehlen, gerade unter Obamas Demokraten gibt es wenige Unterstützer. Obama selbst hat Fast Track zur Chefsache gemacht. Er will das TPP noch in seiner Amtszeit durchbringen. Doch die Zeit wird knapp. Das Wahljahr 2016 wollen weder Demokraten noch Republikaner mit einem unpopulären Thema belasten.

Während Obama die Freihandelsgewinner und Finanziers der Demokraten umwirbt, bearbeiten Emissäre des Weißen Hauses die demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus – insbesondere die Schwarzen und Latinos.

Schon frühere US-Präsidenten haben Fast Track benutzt. Nafta, die am 1. Januar 1994 eingeführte Freihandelszone von Kanada, Mexiko und den USA, ist ein abschreckendes Beispiel. Millionen Beschäftigte in den USA haben erlebt, wie Nafta zu Arbeitsplatz- und Fabrikverlagerungen sowie zu Lohnsenkungen geführt haben.

Der Washingtoner Thinktank Economic Policy Institute (EPI) hat ermittelt, dass der Freihandel der letzten zwei Jahrzehnte in den USA 4 bis 5 Millionen Arbeitsplätze vernichtet hat. Löhne sanken vor allem bei denen, die ohnehin wenig verdienen: Laut EPI bekommen Beschäftigte ohne Universitätsabschluss heute 1.800 Dollar im Jahr weniger als vor Nafta.

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