Interview: "Die Berliner sind mutiger geworden"

Immer mehr Menschen gründen ein Unternehmen. Einen Boom gebe es vor allem in der Designerbranche und im Filmgeschäft, sagt Waltraud Wolf von der Bürgschaftsbank Berlin.

taz: Frau Wolf, immer mehr Menschen eröffnen in Berlin ein Unternehmen. Was macht die Stadt für Gründer so attraktiv?

Waltraud Wolf: Es ist die Konjunktur, die sich in den vergangenen Monaten in vielen Branchen gut entwickelt hat. Sie wirkt sich positiv auf die Bereitschaft aus, eine Existenz zu gründen. Zudem ist es in Berlin für Start-ups besonders einfach, ein Netz aufzubauen, in dem sie Ideen und Erfahrungen miteinander austauschen können oder neue Informationen erfahren. Dafür sorgt auch der Businessplan-Wettbewerb, den wir zusam- men mit den Kammern, Verbänden und Kreditinstituten anbieten.

Wer sind die typischen Gründer?

Das ist ganz unterschiedlich. Es sind Deutsche, aber auch viele Polen und Türken, die sich selbstständig machen. Die meisten von ihnen sind um die 30 Jahre alt. Aber auch junge Leute, die gerade ihre Ausbildung beendet haben, oder gestandene Fachkräfte, die ihre Fähigkeiten in einem eigenen Unternehmen einbringen wollen, bauen in Berlin ein Unternehmen auf.

Ist eine Existenzgründung auch eine Chance für Arbeitslose?

Natürlich. Für sie ist es oft eine Alternative - und in Berlin mit seiner hohen Arbeitslosigkeit eine nicht unwesentliche.

Welche Branchen sind besonders beliebt?

Im Grunde gibt es Unternehmensgründungen in allen Wirtschaftsbereichen: vom Diamantenwerkzeughersteller bis zur Pastaproduktion. Einen regelrechten Gründerboom sehen wir derzeit im Filmgeschäft sowie in der Designerbranche. Die Bereiche Dienstleistung und Handel sind traditionell stark vertreten - geringe Investitionen machen eine Gründung hier attraktiv.

Erinnern Sie sich an ein Start-up, bei dem sie am Anfang skeptisch waren und das am Ende doch funktionierte?

Ja, zwei Gründer in Mitte, die ein Unternehmen für Spezialschuhe eröffnen wollten. Wir von der BBB-Bürgschaftsbank waren sehr skeptisch. Doch die beiden Start-ups überzeugten uns mit einem schlüssigen Businessplan. Heute übertrifft das Unternehmen alle Prognosen.

Welche Rolle spielt ein Businessplan?

Er ist unverzichtbar.

Warum?

Weil der Gründer sich genau mit dem Markt auseinandersetzt, auf dem er sich bewegen will. Er beobachtet die Konkurrenz und prüft, welchen Finanzrahmen er benötigt. Je intensiver der zukünftige Unternehmer sich mit seinem Konzept beschäftigt, um so größer ist die Chance, dass er mit seiner Geschäftsidee am Markt bestehen wird.

Haben Sie in den vergangenen Jahren die Prüfverfahren mit Blick auf die Vergabe von Bürgschaften verschärft?

Nein. Unsere Kriterien sind gleich geblieben. Was allerdings auffällt, ist, dass sich die Menschen sehr viel mehr Gedanken darüber machen, welches Unternehmen sie wo und mit welchen Produkten eröffnen wollen. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass wir immer weniger Ausfälle verzeichnen. 2005 mussten wir 94 Bürgschaften übernehmen, im vergangenen Jahr nur noch 64. Zudem hat sich die Einstellung der Menschen gegenüber einer eigenen Existenz geändert.

Was heißt das?

Eine Firma zu gründen, bedeutet heute für viele, sich selbst zu verwirklichen, Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, mit denen sie Trends mitgestalten. Unabhängig und selbstständig zu arbeiten liegt im Trend. Die Menschen sind mutiger geworden, vor allem in Berlin.

Welche Entwicklung erwarten Sie für die nächsten Monate?

In Berlin werden auch in Zukunft mehr und mehr Menschen ein Unternehmen gründen. Vor allem im Kreativbereich, der momentan stark wächst, sehe ich große Chancen für Menschen, die eine Existenz aufbauen wollen. Zwei weitere Bereiche sind der Gesundheitssektor und die Biotechnologie.

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