Online-Durchsuchung: SPD spielt auf Zeit

Nach erfolgloser Koalitionsrunde hält der Streit an: SPD hält Drängen der Union für "übertrieben". Union warnt, ohne Onlinedurchsuchungen seien Terroranschläge praktisch nicht zu verhindern.

Schlägt Alarm: Hans-Peter Uhl (CDU) Bild: dpa

BERLIN taz Die Union will neue Kompetenzen für das Bundeskriminalamt nicht ohne die Online-Durchsuchung beschließen. Einen entsprechenden Vorschlag der SPD lehnten die Vertreter der Union bei einem Spitzentreffen der Regierungskoalition im Kanzleramt ab. "Wir stimmen keinem Gesetz zu, mit dem man Terroranschläge nicht im Vorfeld verhindern kann", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU, Hans-Peter Uhl gegenüber taz.de. "Und ohne die Online-Durchsuchung wird das nicht möglich sein."

Zuvor hatte SPD-Chef Kurt Beck gefordert, dass die Koalition sich erst einmal mit den fünfzehn unstrittigen Punkten des geplanten neuen BKA-Gesetzes befassen solle - die Online-Durchsuchung dafür aber ausklammern. Das lehnten die Unionsparteien jedoch ab. "Das ist bedauerlich, denn über den Rest des Gesetzes könnten sich die Fraktionen in Kürze einigen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, gegenüber taz.de. "Aber offenbar gefällt es der CDU die Wichtigkeit der Online-Durchsuchung zu übertreiben. Die Führungsleute der Terrororganisationen kommunizieren sowieso nicht per Computer: Die benutzen Boten."

Wie Beck und der neue CSU-Vorsitzende Erwin Huber nach dem Spitzentreffen mitteilten, soll aber zumindest die Abstimmung mit den Bundesländern über die geplante BKA-Novelle begonnen werden. Dies wird nach Schätzungen von Experten etwa vier bis sechs Wochen dauern. "Bis dahin ist mit der mündlichen Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht ein weiterer Erkenntnisgewinn da, und dann kann man im November entscheiden", sagte der CSU-Chef Huber.

Er bezieht sich damit auf eine Klage von Bürgerrechtlern gegen ein Gesetz, das in Nordrhein-Westfalen bereits Online-Durchsuchungen ermöglicht. Am 10. Oktober soll die mündliche Verhandlung in Karsruhe beginnen. Damit kommt die CDU unfreiwillig der SPD ein Stück entgegen. Denn die verlangt mehr Zeit. Sie möchte das Urteil aus Karlsruhe abwarten, bevor sie eine Entscheidung über die Online-Durchsuchung trifft. Außerdem würde die Parteispitze gern noch das Votum des Bundesparteitages in Hamburg Ende Oktober hören.

Vom Koalitionspartner werden die Sozialdemokraten dafür scharf kritisiert: "Das ist ein Landesgesetz aus NRW, an dem das Verfassunsggericht vielleicht gewisse Verbesserungsvorschläge macht", sagt CDU-Innenpolitiker Uhl, "was hindert uns das, ein Bundesgesetz zunächst einmal zu beraten und dann falls nötig zu verbessern." Das Urteil aus Karlsruhe sei erst "weit im Jahre 2008" zu erwarten, meint Uhl. So lange würden die Terroristen aber nicht abwarten.

Konkret ging es bei dem Spitzentreffen in Berlin nicht darum, ob der neue Gesetzesentwurf über die Befugnisse des BKA schon im Parlament abgestimmt werden soll. Die Koalition versuchte sich lediglich darüber zu einigen, ob der Entwurf dem Kabinett vorgelegt werden soll. Viele Sozialdemokraten wie die Innenpolitiker Michael Hartmann und Dieter Wiefelspütz befürworten die staatliche Datenspionage auf privaten PC-Festplatten - und wollen das BKA-Gesetz daran offenbar nicht scheitern lassen.

Doch Peter Struck, Fraktionschef im Bundestag, hatte den beiden Befürworten in den eigenen Reihen bereits Ende August untersagt, sich mit der CDU auf weitere Verhandlungen einzulassen. Die Union solle die Sozialdemokraten in Sicherheitsfragen nicht weiter vor sich hertreiben oder gar spalten können, indem sie auf die Befürworter in den SPD-Reihen verweise.

Druck macht die CDU natürlich trotzdem. "Der Staat muss Terroristen heutzutage stoppen können, bevor sie eine Bombe bauen", kritisiert etwa Innenpolitiker Uhl. Dazu müsse er sämtliche Kommunikationswege überwachen können. "Kann der Staat das nicht, ist er kein Staat." Den Hinweis von SPD-Politikern und Bürgerrechtlern, dass die Anschlägspläne der Islamisten im Sauerland Anfang September ganz ohne Online-Durchsuchung verhindert worden seien, will Uhl nicht gelten lassen. "Diese Behauptung ist eine Lüge", sagt Uhl, "wir wissen doch im Detail gar nicht, wie die Amerikaner die Kommunikation der Tatverdächtigen im Internet überwacht haben."

Es waren tatsächlich Hinweise des amerikanischen Abhördienstes NSA, der die deutschen Ermittler überhaupt erst auf die drei Bombenbauer aufmerksam gemacht hatte. In der Union hält man die von Bürgerrechtlern vorgebrachten Bedenken gegen die Online-Durchsuchung ohnehin für eine Art absurdes Theater: "Die Beamten haben schon genug damit zu tun, das für die Ermittlungen notwendige Datenmaterial zu durchforsten", sagt Uhl. "Glaubt denn tatsächlich jemand, die Polizei hat da noch Zeit, sich um Max Müller zu kümmern?"

Tatsächlich sind die bürokratischen Hürden und der Kostenaufwand bisher die Umstände, welche staatliche Überwachung am stärksten einschränken. Bundeskriminalamt und Landespolizeien fordern deshalb immer wieder, diese Hürden abzubauen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) würde ihnen gern entgegenkommen: Nach seinem Entwurf des BKA-Gesetzes sollen die Ermittler bei Gefahr im Verzug auch ohne richterliche Entscheidung in privaten Rechnern schnüffeln dürfen.

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