Kommentar Berichterstattung in der VW-Affäre: Geschäft auf Gegenseitigkeit

Der VW-Prozess ist lehrreich: Nie zuvor wurde so deutlich, wie Strafverteidiger und Staatsanwälte die Medien instrumentalisieren.

Der Krimi ist zu Ende. Die Geschichte rund um Edelhuren, Tarnfirmen und Geheim-Millionen wurde vorerst zum letzten Mal erzählt. Im VW-Prozess fielen gestern zwei wichtige Urteile: Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert muss für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis, sein Gehilfe Klaus-Joachim Gebauer erhielt ein Jahr auf Bewährung. Beide werden bald vergessen sein, denn ihr Fehlverhalten taugt nicht als Symbol. Man mag die Lustreisen des VW-Betriebsrats skandalös finden, aber sie waren ein bizarrer Einzelfall.

Trotzdem war die VW-Affäre lehrreich. Nie zuvor wurde so deutlich, wie Strafverteidiger und Staatsanwälte die Medien instrumentalisieren. Zu besonderer Meisterschaft brachte es der FPD-Politiker Wolfgang Kubicki, der als Gebauers Verteidiger agierte und Journalisten gezielt mit pikanten Details über Bordelle und Animierdamen fütterte. Ganz offen gibt Kubicki zu, dass er "die Medien brauchte". Sein Mandat sollte als kleines Würstchen erscheinen, das nur naiv die Befehle seiner Chefs ausgeführt hatte. Diese mediale Verteidigungsstrategie ist aufgegangen: Wie geplant kommt Gebauer nun mit einer Bewährungsstrafe davon.

In Deutschland wird der investigative Journalismus hingebungsvoll verehrt. Viele Leser stellen sich vor, dass die Reporter wie Detektive in Geheimarchiven wühlen. Stattdessen werden die Journalisten oft nur von Informanten beliefert, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Dieses Geschäft auf Gegenseitigkeit grassiert: Es ist kein Zufall, dass die Kameras pünktlich parat standen, um Ex-Postchef Zumwinkel auf dem Weg zum Verhör zu filmen. Menschen werden damit an den Pranger gestellt, noch bevor sie verurteilt sind.

Die Medien rechtfertigen sich damit, dass diese Skandale unbedingt an die Öffentlichkeit gehörten. Das stimmt. Aber es ist falsch, wenn die Journalisten suggerieren, ohne sie blieben die Affären geheim. Spätestens wenn der Prozess beginnt, werden sowieso alle Details bekannt. Es ist also nicht nötig, dass sich die Medien zu willfährigen Instrumenten von Strafverteidigern oder Staatsanwälten machen lassen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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