Schwarz-grüner Vertrag in Hamburg steht: "Keine Liebesheirat"

Der Koalitionsvertrag von Grünen und CDU in Hamburg ist unterzeichnet. Ob das Kohlekraftwerk gebaut wird, ist offen: Ein Gaskraftwerk wird ausgeschrieben.

Hamburgs neue Führung: Bürgermeister Beust mit voraussichtlicher Stellvertreterin Goetsch Bild: dpa

Sehr viele "neue Wege" wurden am gestrigen frühen Donnerstagabend beschworen, als die Unterhändler von CDU und Grünen in Hamburg den Koalitionsvertrag des ersten schwarz-grünen Bündnisses auf Landesebene unterzeichneten und dazu Stellung nahmen.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust erklärte, CDU und Grüne seien sich "von Anfang an der besonderen Situation bewusst gewesen". CDU-Landeschef Michael Freytag erklärte, Schwarz-Grün sei "keine Liebesheirat", aber möglicherweise "der Beginn einer wunderbaren Freundschaft".

Die beiden Grünen Christa Goetsch und Anja Hajduk gingen direkt auf grüne Verhandlungserfolge ein. Goetsch, Schulsenatorin in spe, berichtete unter anderem von Kita-Plätzen für alle ab dem zweiten Lebensjahr. Hajduk, Landesvorsitzende der GAL, soll künftig die Behörde für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr, Energie und Umwelt als "Supersenatorin" leiten. Sie kündigte unter anderem den Bau einer Stadtbahn, einer weiterentwickelten Straßenbahn, an. Zum bis zuletzt strittigen Punkt Kraftwerk Moorburg fiel zunächst kein Wort - während die Elbvertiefung "im vollen Umfang" kommt, wie Freytag sagte.

Hajduks Ressort bleibt es überlassen, den Bau des Kohlekraftwerks in Moorburg zu verhindern. Denn das Genehmigungsverfahren von Vattenfall läuft weiter. Den Grundstein der neuen Koalition bildet damit ein Formelkompromiss. Der gestern unterzeichnete Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün fixiert nach Informationen der taz eine Doppelstrategie.

Union und GAL erklären den Bau des Kohlemeilers für "politisch unerwünscht". Zugleich wird die 2014 auslaufende Konzession für das Fernwärmenetz und die Errichtung eines weiteren Kraftwerks EU-weit ausgeschrieben: Es soll günstig Fernwärme und Grundlaststrom liefern, einen hohen Wirkungsgrad haben und wenig Kohlendioxid ausstoßen - Kriterien, die am ehesten von einem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) erfüllt würden.

Neben Goetsch, die auch Zweite Bürgermeisterin und Vizeministerpräsidentin wird, und Supersenatorin Hajduk wird als dritter Grüner der Justizexperte der Fraktion, Till Steffen, Justizsenator. Sieben Posten im zehnköpfigen Senat stellt die CDU. Rein arithmetisch stünden ihr mehr Behörden zu. Bei der Wahl verlor sie zwar ihre absolute Mehrheit und stellt seitdem 56 der 121 Abgeordneten in der Bürgerschaft. Die Grünen aber haben nur 12 Mandate erringen können.

Nachrücker für Hajduk, die ihr Bundestagsmandat aufgeben müsste, würde der 26-jährige Student Manuel Sarrazin. Vor vier Jahren zog er als jüngster Abgeordneter ins Hamburger Rathaus ein und machte sich dort als Europapolitiker einen guten Ruf.

Dass der Vertrag von der grünen Partei akzeptiert wird, ist noch nicht ausgemacht. Am Donnerstagabend informierte die Verhandlungsdelegation der Grünen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Basis auf einer parteiinternen Mitgliederversammlung. Nach einer ersten solchen Veranstaltung vor zwei Wochen war viel Skepsis zu hören gewesen.

Als Knackpunkt gelten der Moorburg-Kompromiss zusammen mit der grünen Zustimmung zur erneuten Elbvertiefung, welche die GAL im Vertrag nach Zusage ökologischer Ausgleichsmaßnahmen akzeptiert hat. Im Wahlkampf hatte die Mitgliederversammlung beide Vorhaben abgelehnt. Wie dieser Kurswechsel von den etwa 1.400 Hamburger Grünen gesehen wird, ist derzeit offen. Die Entscheidung fällt am 27. April, wenn auf einer Mitgliederversammlung über das Regierungsbündnis mit der CDU abgestimmt wird.

Auch bei der Union ist der Koalitionsvertrag keine Selbstverständlichkeit. Der Moorburg-Kompromiss wird vom CDU-Wirtschaftsrat nicht gutgeheißen; das künftige Schulsystem mit einer sechsjährigen Primarschule für alle und einer anschließenden auf sechs Jahre verkürzten Gymnasialoption ist für große Teile der Union hart zu verkraften. Ernsthafte Zweifel daran, dass die Delegierten des CDU-Parteitages am 28. April den Kurs von Ole von Beust billigen werden, gibt es allerdings nicht.

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